Pfarrer Hans Alfred Trein (60) liebt Fussball. Wie es sich für einen Brasilianer gehört. Dann kommt das grosse «Aber», denn die Fussball-WM macht ihn vor allem wütend. In Brasilien hapert es an allen Ecken und Enden: schlechte medizinische Versorgung auf dem Land, mangelnde Bildungschancen, knapper Wohnraum, Zerstörung des Amazonas-Lebensraums.
Die Indigenen wiederum stehen beim Warten auf Gerechtigkeit meist als Letzte in der Schlange. Von der bevorstehenden Fussball-WM und den Olympischen Spielen in zwei Jahren profitierten sie nicht, meint der lutherische Pfarrer Hans Alfred Trein. Ihre Nöte würden abermals unter den Teppich gekehrt.
Für Mutter Erde und die Ureinwohner im Amazonas
Pfarrer Trein setzt sich seit Jahrzehnten für die Lebensrechte der Ureinwohner Brasiliens ein. Die Indigenen sind in der Gesellschaft ansonsten eher unbeliebt. So stellen sich die Kirchen recht einsam hinter – oder besser «vor» – die indigenen Völker und ihren Lebensraum.
Ein weiteres Beispiel ist der «Amazonas-Bischof» Erwin Kräutler von der römisch-katholischen Kirche ist inzwischen weltbekannt. Er setzt sogar sein Leben aufs Spiel, um die Ureinwohner vor kriminellen Grosskonzernen und aggressiven Bauern zu schützen. Auf der Seite der enteigneten Indigenen stehen auch die «Luteranos»: eine kleine evangelische Kirche lutherischen Bekenntnisses im Süden Brasiliens, die von deutschen Auswanderern im 19. Jahrhundert gegründet wurde.
Versöhnung als Mission
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Pfarrer Trein wirkt im lutherischen Indianer-Missionsrat COMIN mit. Dessen «Mission» sei nicht, die Indianer zu taufen. Vielmehr leisten sie Versöhnungsarbeit für das Unrecht, das den Indigenen über Jahrhunderte von den aus Europa Zugewanderten angetan wurde. Versöhnung, Wiedergutmachung und vor allem Schutz – denn: Die Indigenen sind in ihrer Lebensweise bedroht, weil ihr Lebensraum sukzessive zerstört wird, etwa durch den Bau von Staudämmen und durch die Abholzung des Regenwaldes.
Die Indigenen streiten nicht nur mit Grosskonzernen um ihre Lebenswelt, sondern auch mit Kleinbauern, die sich im fruchtbaren Amazonas eine neue Existenz schufen. Hier vermittelt Pfarrer Trein. Mediation sei ganz wichtig, damit keine neuen Ungerechtigkeiten entstehen, sondern am Ende alle zu ihrem Recht kommen.
Eine weitere Gefahr für das Leben im Amazonasgebiet stellen die Goldschürfer dar, weil sie Quecksilber einsetzen und dadurch Trinkwasser vergiften. Der Amazonas ist so riesig, dass sich das Gebiet von der Polizei kaum kontrollieren lässt. Und bis der Raubbau am Regenwald von oben überhaupt sichtbar wird, ist es meistens schon zu spät.
Stadien, die keiner braucht
Angesichts all dessen sei es schlicht skandalös, dass zweistellige Millionensummen in den Bau von Stadien investiert wurden, «die keiner braucht!», ärgert sich Pfarrer Hans Alfred Trein.
Von den Indigenen habe er gelernt, die «Mutter Erde» als solche zu achten. Er hat ein ökologisches Bewusstsein entwickelt und hört auf die Natur. Das habe er aus dem interreligiösen Dialog heraus entwickelt, den seine Kirche mit den verschiedenen Kulturen und Stämmen der Indigenen führt. Diese könnten sich ein Ticket zur Fussball-WM niemals leisten, gibt er zu bedenken. Die WM ist also nicht für sie – nicht für die Ureinwohner, nicht für die Obdachlosen und nicht für die unterprivilegierte Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung.