Ein echter Blickfang, dieses Buch. Als Erstes fällt auf, wie sorgfältig und aufwendig es gestaltet ist. «Die schönsten Brockis der Schweiz» ist in erster Linie ein schöner Bildband, der die sinnliche Seite des Brockenhauses einzufangen versucht.
Das ist es auch, was die Co-Autorin Iris Becher am Brockenhaus reizt: «Mich fasziniert das Gewimmel der vielen Objekte und die vielen Gerüche, die dort zusammenkommen. Brockis sind atmosphärisch sehr reiche Orte voller Geschichten und Assoziationen.»
Brocki-Perlen aus der ganzen Schweiz
21 solcher Orte in der Deutschschweiz haben Iris Becher und ihre beiden Kollegen ausgewählt.
Dabei gab es klare Auswahlkriterien. Alle Regionen mussten vertreten sein. Das Haus selbst musste einen gewissen Reiz haben – sei es architektonisch, sei es durch die Lage oder die Bedeutung in einem Dorf oder in einer Stadt.
«Bücher, Secondhand-Kleider, Papeterie, alte Ordner: Es war uns auch wichtig», sagt Iris Becher, «dass es Brockenhäuser sind, die von hochwertigen Antiquitäten bis hin zu gebrauchten Waren des Alltags alles im Angebot haben.»
Die Geschichten der Brocki-Betreiber
Im Verlauf der Arbeit kommt eine weitere Idee dazu: die Brockenhaus-Betreiber. In ihnen erkennen Iris Becher und ihre Kollegen das eigentliche Herz des Brockis, die gute Seele.
«Es war uns sehr wichtig, zu verstehen, wer in den Brockenhäusern arbeitet. Woher kommen diese Menschen? Es gibt ja keine Ausbildung dazu», so Becher.
Diese Menschen hätten oft interessante Biografien: «Viele haben vieles in ihrem früheren Leben gemacht. Ihre unterschiedlichen Kompetenzen können sie nun bei der Arbeit im Brockenhaus verbinden.»
Dazu gehört auch die Kompetenz, ein Begegnungsort zu sein. Genauso interessant wie die Brockenhäuser sind die Menschen, die die Geschichte der Brockenhäuser ausmachen. Auch sie werden im Buch erzählt.
Erstes Brockenhaus in Deutschland
Die Idee zum Brockenhaus stammt nicht aus dem Brocki-Land Schweiz, sondern aus Deutschland. In Bielefeld wird 1890 das erste Brockenhaus eröffnet.
Es gehört zur sogenannten Bethel-Mission und hat die Aufgabe, Geld für die Mission aufzutreiben, bedürftigen Menschen eine Arbeit zu verschaffen und arme Menschen mit günstiger Ware zu versorgen.
Die Idee ist erfolgreich und expandiert in die Schweiz: 1895 entsteht in Bern das allererste Schweizer Brockenhaus.
Das Brockenhaus verschwindet in Deutschland jedoch, während es in der Schweiz floriert. Ausschlaggebend ist in Deutschland die Armut. Nach den beiden Kriegen brauchen die Menschen das wenige, was sie noch haben, für sich selbst.
In der Schweiz hingegen herrscht Reichtum. «Jeder hat einen Überfluss an Waren. So gelangen hochwertige, zum Teil nicht gebrauchte Gegenstände wieder in den Kreislauf», sagt Iris Becher.
Der Reichtum als Ursache für eine florierende Schweizer Brockenhaus-Szene: Das ist die überraschende Erkenntnis der Autorin und des Autoren des ersten Schweizer Brockenhaus-Buches.
Sendung: Kultur aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 24.2.2020, 08:20 Uhr.