Zwei Jahre lang will der Journalist Shams Ul-Haq in 100 problematischen Moscheen recherchiert haben: in Winterthur, Essen, Graz oder Berlin. Er habe sich als Geschäftsmann aus Pakistan ausgegeben, um dahin zu kommen, wo die Radikalen das Sagen haben und normal kein Aussenstehender Einblick bekommt.
Er, der Muslim, konnte Vertrauen erwecken, wo Misstrauen herrscht.
Gekauftes Vertrauen
So beschreibt es Shams Ul-Haq in seinem Buch «Eure Gesetze interessieren uns nicht», das vergangenen Herbst bei Orell Füssli erschien.
«Der erste Schritt ist immer Geld zu spenden», sagt Ul-Haq. Nach den Freitagsgebeten würde zu Spenden für die Moschee aufgerufen.
«Und dann wird auch gerne gesehen, wenn man aktiv ist, regelmässig hilft, zum Beispiel beim Putzen oder in der Küche.»
Shams Ul-Haq will laut Buch im April 2018 in Essen mit seinen Undercover-Recherchen begonnen haben, dann ab Juni 2018 in der Schweiz, in Berlin und Hamburg in radikalen Moscheen recherchiert haben.
Wann war er wo?
Das Problem: Die zeitlichen Angaben können nicht stimmen. Das Manuskript hatte er dem Verlag im April 2018 abgegeben. Also noch vor Beginn seiner Recherchen.
Ul-Haq kontert, dass er mit den falschen Angaben seine Spuren verwischen wollte: «Das war meine Taktik!». Ansonsten wäre seine Tarnung aufgeflogen.
Seine Arbeit sei extrem gefährlich – deshalb die gewollte Verwirrung: «Damit man durcheinander kommt: Wann war der überhaupt da, wie war der überhaupt da? Mit wem hat der geredet?»
Viele Ungereimtheiten
Durcheinander kann der Leser aber auch kommen, wenn er das Kapitel über die An'Nur-Moschee liest. Gemäss Ul-Haq hatte er die Winterthurer Moschee ab April 2018 für mehrere Monate besucht.
Bloss: Die Moschee wurde 2017 geschlossen. Wer genau nachliest, stellt ausserdem fest: Das Kapitel über das umstrittene Winterthurer Gebetshaus entspricht in weiten Teilen einem Artikel von Ul-Haq, der 2016 in der «SonntagsZeitung» erschien.
Dort beschrieb er einen hasserfüllten Prediger, der junge Männer zu Jihadisten machte und will in Erfahrung gebracht haben, dass sich die Moschee durch Geld von der Terrormiliz IS über Wasser hielt.
Der Leser des Buches wird an keiner Stelle über das aufgeklärt, dass dies eine alte Geschichte ist. In einer Stellungsnahme erklärt der Orell Füssli Verlag, dass «Fehler und mögliche neue Erkenntnisse etc. in einer eventuellen Nachauflage beseitigt» würden.
Woher kam das Geld?
Die wirtschaftliche Seite der Recherche von Ul-Haq lassen weitere Zweifel an seinen Enthüllungen aufkommen.
Er muss enorme Reisekosten und Spesen gehabt haben, wenn er in drei Ländern von Moschee zu Moschee gereist ist und jedes Mal viel Geld gespendet hat.
Kosten, die jeden Rahmen für ein Sachbuch mit einer Auflage von derzeit 6000 verkauften Exemplaren sprengen. Der Orell Füssli Verlag will sich zu diesen Fragen bislang nicht äussern und verweist auf den Autor. «Ich will die Zahlen hier nicht nennen. Das sind vertrauliche Angaben», sagt Ul-Haq.
Und er verweist auf einen Co-Financier. Auch der deutsche Fernsehsender ZDF habe viel Geld gezahlt. Für die Sendung «ZDFzoom» hatte Ul-Haq 2018 in deutschen Moscheen inkognito recherchiert.
Das öffentlich-rechtliche ZDF erklärt auf Nachfrage: Es sei nicht an den Kosten für das Buch beteiligt gewesen.
In der ZDF-Doku «Hass aus der Moschee» kommen drei Moscheen vor – keine davon aus der Schweiz oder Österreich. Wie er es geschafft haben will, in über 90 anderen Moscheen monatelang als Undercover-Journalist zu arbeiten, bleibt Schams Ul-Haqs Geheimnis.