Weibliche Solidarität berge eine ungeheure Kraft in sich, sag die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach. In ihrem neuen Buch «Revolution der Verbundenheit» will sie Frauen deshalb zu mehr Zusammenhalt ermutigen.
SRF: In Ihrem letzten Buch haben Sie Frauen die Erschöpfungsdiagnose gestellt. In «Revolution der Verbundenheit» schlagen sie einen positiveren Ton an. Warum?
Franziska Schutzbach: Im letzten Buch schrieb ich, dass vermutlich das wichtigste Rezept gegen die Erschöpfung der Frauen die Verbündung unter Frauen ist.
Ich möchte die Frauenfreundschaft zu einem verheissungsvollen Ort machen.
Damals wusste ich nicht, dass dieser Satz den Grundstein für mein neues Buch legen würde. Ich habe versucht, ein Buch zu schreiben, das mir selber Mut macht. Ich glaube, dass wir mehr hoffnungsvolle Perspektiven brauchen.
Verbindungen unter Frauen würden oft abgewertet, schreiben Sie. Inwiefern?
Wenn ich in meine Kindheit und Jugend zurückschaue, fallen mir zahlreiche popkulturelle Beispiele ein, die Mädchenfreundschaften infantilisieren. Die sie etwa als Kuschel-Tuschel-Krisen-Auffangbeziehungen zeigen, in denen Frauen auf den Prinzen warten oder trauern, wenn der Angebetete sie verlassen hat. Frauenfreundschaften werden oft als Vorstufe zum eigentlichen Ziel dargestellt: den Mr. Right zu finden. Diese Vorstellung versuche ich aufzubrechen. Ich möchte die Frauenfreundschaft aus der Kalenderblatt-Betulichkeit befreien und sie zu einem verheissungsvollen Ort machen.
Männerfreundschaften dagegen werden als bedeutend betrachtet. Warum?
Männer sind traditionellerweise diejenigen, die öfter ihren Namen, Macht und Geld weitergeben. Sie fördern andere Männer, schanzen sich Machtpositionen und Besitz zu. Diese Seilschaften sind für Frauen bis heute schwer zu durchbrechen. Sie werden zu Konkurrentinnen um die wenigen Plätze an der Sonne. Wir beobachten eine Spaltung der Frauen.
Klingt wenig hoffnungsvoll.
Das Hoffnungsvolle ist: Frauen haben immer dagegen rebelliert und sich trotzdem verbündet. Nehmen wir zum Beispiel die Frauenrechtsbewegung im deutschsprachigen Raum im 19. Jahrhundert. Da haben sich Frauen in WGs, durch Liebesbeziehungen und Freundinnen-Netzwerke erstmals von Männern unabhängige Leben ermöglicht.
Es ist wichtig, die Geschichte der Frauen nicht nur als Defizitgeschichte zu erzählen.
Dank dieser Beziehungsstrukturen konnte eine politische Bewegung entstehen, die Emanzipation vorangebracht werden. Ein anderes Beispiel ist die Frauenhausbewegung in den 1970er-Jahren, als Frauen selbst Frauenhäuser gründeten, weil der Staat wenig gegen häusliche Gewalt tat.
Ein hartnäckiges Klischee: Frauen seien stutenbissig.
Es gibt eine verletzende Geschichte von Konkurrenz unter Frauen – gerade, weil Frauen marginalisiert werden. Aber die Erzählung von der Stutenbissigkeit ist gleichzeitig eine patriarchale Erzählung, eine Ideologie, die dauernd wiederholt wird, damit sie wahr wird und Frauen am Ende glauben, sich nicht verbünden zu können. Deshalb ist es wichtig, das Gelingen weiblicher Verbundenheit zu betonen oder aufzuzeigen, wo sich Frauen nicht bekämpfen, sondern unterstützen.
Ihr Buch will nicht coachen. Sondern?
Ich will kein Zehn-Punkte-Programm umsetzen. Mir geht es darum, zu zeigen, wie Frauen sich Momente der Freiheiten erobern können in ihrem Alltag, aber auch in politischen Bewegungen oder durch Freundschaften. Es ist wichtig, die Geschichte der Frauen nicht nur als Defizitgeschichte zu erzählen, sondern auch als Geschichte der Möglichkeiten und der Freiheit, wider die Norm zu leben.
Das Gespräch führte Danja Nüesch.