Seit Wladimir Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, haben sich viele Schweizer Firmen aus dem russischen Markt zurückgezogen. Bei Kultursponsorings sieht das aber teilweise anders aus.
So stehen zwei grosse Schweizer Firmen nach wie vor auf der Sponsorenliste des Moskauer Bolschoi-Theaters, einem der repräsentativsten Betriebe der russischen Kulturlandschaft: die Grossbank Credit Suisse und der Nahrungsmittelkonzern Nestlé.
Und auch KPMG – eine in der Schweiz registrierte, weltweit tätige Beratungsgesellschaft – steht auf der Liste.
Ist ein Kultursponsoring in Kriegszeiten weniger problematisch als geschäftliche Beziehungen? Kultursponsoring sei immer eine Begegnung von Interessen, gibt Philippe Bischof zu bedenken, der Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia: «Die sponsernde Firma hat Interessen, wie auch das gesponserte Unternehmen. Dazwischen steht die Kunst.»
Pro Helvetia sistiert Engagements in Russland
Die entscheidende Frage sei, wofür die gesponserte Kulturinstitution stehe, so Bischoff: Gehört sie zur Repräsentationspolitik eines Staates? Transportiert sie ein bestimmtes Bild eines Systems mittels Kunst oder fördert sie einen freien künstlerischen Ausdruck? Pro Helvetia hat die Engagements in Russland vorläufig sistiert.
In Russland darf der Krieg nicht als Krieg bezeichnet werden, Regimekritiker werden weggesperrt und die positive Darstellung nicht heterosexueller Menschen wird als «Homosexuellen-Propaganda» geahndet: Freien künstlerischen Ausdruck gibt es hier nicht, auch nicht am Bolschoi-Theater mit seinem sehr traditionellen Programm.
Dass das schon seit mehreren Jahren so ist, zeigte sich etwa 2017, als die explizit homoerotische Produktion «Nurejew» des Dissidenten Kirill Serebrennikov abgesagt wurde. Nach internationaler Empörung wurde sie dann doch auf die Bühne gebracht, allerdings zensiert. Nun verschärft sich die Situation durch eine noch striktere Zensur und ein repressiveres Vorgehen der Regierung.
Nestlé bleibt vage
Auf Nachfrage von «SRF Investigativ» zum Sponsoring reagieren die Firmen unterschiedlich: KPMG hält fest, dass es sich um ein Engagement der unabhängigen Ländergruppe KPMG Russland handle. Es bestehe keinen Schweizer Bezug zum Sponsoring in Russland. KPMG Russland werde sich Ende Jahr zudem vom Opernhaus trennen, der Vertrag mit dem Bolschoi-Theater laufe Ende Jahr aus.
Credit Suisse und Nestlé reduzieren zwar ihre Geschäfte in Russland, zum Sponsoring aber schreibt die CS vage: «Wir prüfen derzeit unsere Partnerschaft mit dem Bolschoi-Theater. Die CS hält sich an alle Gesetze und Vorschriften und arbeitet mit internationalen Aufsichtsbehörden zusammen, um die Einhaltung aller Sanktionen zu gewährleisten.»
Nestlé betont, dass Kultur unterstützt werde: «Unser Sponsoring sind wir vor einigen Jahren zur Unterstützung kultureller Projekte eingegangen und wir werden es einstellen, sobald unsere rechtlichen Verpflichtungen erfüllt sind.» Wann das sein wird, bleibt auch nach mehreren Nachfragen unbeantwortet.
Pikanterweise hat das Bolschoi-Theater ein «Board of Trustees», eine Art Kuratorium, in dem auch Roman Abramowitsch und Alexey Mordaschow sitzen. Die beiden Oligarchen stehen auf der Sanktionsliste des SECO.
Dieses «Board of Trustees» akquiriert gemäss der Webseite des Theaters Sponsorengelder, hilft bei der Verbesserung des Managementsystems und bei der Umsetzung neuer Produktionen. Was das genau heissen soll, ist unklar.
«Kaiserliche» Theaterlandschaft
Unabhängig davon äusserte Präsident Putin kürzlich die Idee einer «Direktion der kaiserlichen Theater»: So bot er dem Dirigenten Valery Gergiev zusätzlich zur Leitung des St. Petersburger Mariinsky-Theaters die Leitung des Bolschoi-Theaters an.
Gergiev ist einer der prominentesten und ergebensten Putin-Unterstützer. Im Westen ist er mittlerweile überall ausgeladen oder entlassen worden. Der Einfluss dieser Putin nahestehenden Personen am Bolschoi-Theater wirft in Bezug auf die Schweizer Sponsoren noch mehr Fragen auf.
Philippe Bischof sieht im russischen Kulturbetrieb politische Ziele: «Es gibt vom russischen Staat eine Strategie, zusammen mit seinem Kulturministerium die Verbreitung russischer Kultur im Westen ganz dezidiert zu fördern, durchaus auch als Herrschafts-Instrument».
«Nicht nur naiv, sondern gefährlich»
Gergiev sei das prominenteste Aushängeschild dieser Ausstrahlungspolitik, sagt Bischof: «Kultur und Kunst werden von autokratischen Systemen historisch gesehen gerne als sogenannte Soft Power eingesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die Haltung ‹Kultur ist einfach nur Kunst› nicht nur naiv, sondern auch gefährlich.»
Hinweis: In einer früheren Version wurde KPMG als Schweizer Firma bezeichnet. Das haben wir korrigiert.