NEAT-Innovationen
1. Neue Tunnelbaumethoden
Das Tavetscher Zwischenmassiv ist eine bei Tunnelbauern berüchtigte Gesteinszone unterhalb von Sedrun: Es besteht aus Kakirit, einem Teig aus zerriebenem Gestein. Experten bezweifelten, dass ein Tunnel in einem so druckhaften Gebirge überhaupt machbar sei. Ein junges Team um Heinz Ehrbar (Leiter Tunnel- und Trasseebau am Gotthard) kombinierte am Gotthard Know-How aus ganz Europa. Die Lösung: Man baute den Tunnel viel grösser als nötig. Mit 13 Metern Durchmesser statt 9. Dann liess man den Bergdruck wirken, bis der die Röhre bis auf neun Meter zugedrückt hatte. Zuletzt stemmten sich massivste Stahlträger gegen den restlichen Bergdruck.
2. Arbeitssicherheit
Beim Bau des ersten Gotthard-Bahntunnels 1882 mussten 100 Arbeitsstunden aufgewendet werden, um einen Kubikmeter Fels aus dem Tunnel zu brechen. Beim Gotthard-Basistunnel waren es zwei Stunden. Die Produktivität hat sich somit um den Faktor 50 erhöht. Noch eindrücklicher ist der Rückgang der tödlichen Arbeitsunfälle. Beim Bau des Tunnels von 1882 verunfallten 199 Arbeiter tödlich. Im Basistunnel waren es noch neun. Gemessen an der Länge der Tunnelbauwerke hat sich die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle um das über 172-fache verbessert. Jeder Todesfall ist einer zuviel. Noch in den 1980er-Jahren hiess es an Tunnelbaustellen: ein Toter pro Kilometer. Heute können lange Tunnel weitgehend unfallfrei gebaut werden. Das Unfallrisiko an den Alptransit Baustellen lag teilweise unterhalb des Risikos im normalen Baugewerbe.
3. Vermessung
Beim Bau des Eisenbahntunnels von 1882 und des Strassentunnels von 1980 behinderten massive Wassereinbrüche den Bau. Mit dem vielen Wasser wurde dem Gebirge Volumen entzogen. Das führte zu den massivsten je in der Schweiz gemessenen Geländesenkungen am Gotthard. Der Basistunnel führt unter drei Stauseen hindurch. Die Gefahr bestand, dass die Staumauern nach Geländesetzungen und Wassereinbrüchen im Tunnel Risse erleiden und massiv beschädigt würden. In unwegsamen Gebirge wurde ein autarkes Messnetz eingerichtet, das Bewegungen auch im Hochgebirgs-Winter meldet. Eine Weltneuheit.
4. Umweltschutz
Der Weltrekordtunnel am Gotthard brachte grosse Auswirkungen auf Landschaft und Natur. Noch bevor Planauflagen veröffentlicht und Rekurse eingereicht wurden, fanden Werkstattgespräche mit Umweltorganisationen statt. Neu am Gotthard war die Ernsthaftigkeit der Gespräche und die Bereitschaft zum Kompromiss. So wurde die Piottinoschlucht gerettet, in der der Fluss Ticino frei fliesst und durch die noch erhaltene Teile des uralten Gotthardweges führen. Ursprünglich war dort eine Zwischendeponie für Ausbruchmaterial geplant. An Ort und Stelle entstand eine neue Lösung: ein 6.5 Kilometer langes Förderband brachte das Ausbruchmaterial in eine andere Deponie. Ohne belastende Lastwagentransporte.
5. Die Tunnelbohrmaschinen
Der Gotthard ist nicht nur der längste Bahntunnel der Welt. Er bot auch beim Tunnelbau höchste Schwierigkeitsgrade. Noch nie waren Tunnelbohrmaschinen so tief im Berg unterwegs wie am Gotthard – 2300 Meter unter der Erdoberfläche. Und noch nie wurden so grosse Tunnel in so hartem Gestein aufgefahren wie am Gotthard. Es brauchte unzählige Erkenntnisse und Verbesserungen, bis die Maschinen fit waren für den Gotthard. Martin Herrenknecht, der Erbauer der Tunnelbohrmaschine sagte: «Wenn Sie in China oder Amerika mit den Leuten reden, dann leuchten die Augen. Die Schweizer schätzen das nicht so hoch ein wie in der Welt. Das Projekt hat Champions League-Status. Ein Topereignis in der Szene.»
6. Baumaterialien
28 Millionen Tonnen Fels wurden aus dem Berg geholt. Umgekehrt wurden 7 Millionen Tonnen Sand und Kies gebraucht für den Beton im Tunnel. Gewaltige Mengen, gewaltige Transportleistungen und auch gewaltige Deponien hätte es dafür gebraucht. Allein die Beschaffung von Sand und Kies hätte 100 Millionen Franken gekostet. Die Lösung: Es wurden mit hohem Aufwand neue Betonrezepte entwickelt. So konnte ein Drittel des Aushubmaterial zu Beton und Spritzbeton für den Tunnelbau verarbeitet werden und kam wieder zurück in den Berg. 66 Prozent des rausgebrochenen Gesteins wurde für Aufschüttungen und Renaturierungsprojekte verwendet, unter anderem für die Aufschüttung von Bade- und Naturschutzinseln im Vierwaldstädtersee. Nur rund 0,7 Prozent des abgebauten Gesteins wurde in Deponien entsorgt.