Wie ein übergrosser Toblerone-Zacken steht der Grabstein auf der Waldlichtung. Ringsum liegt Moos, dahinter spriessen junge Tannen. Es ist der Grabstein von Florian Dübi.
Der liegt aber nicht unter der Erde, sondern steht neben dem Stein. «Toblerone-Zacken passen zu mir», sagt er, «so verfressen wie ich bin.»
Dübi ist kein Mann für Smalltalk. «Was will ich über das Wetter reden?» Und so ist man mit Florian Dübi, den alle Flöru nennen, schnell bei den grossen Fragen. Zum Beispiel: Wie will ich einmal gehen, wenn ich sterbe?
Der 37-jährige Mechaniker hat da klare Vorstellungen. «Wenn du das zu Lebzeiten nicht selbst bestimmst, bestimmen andere», sagt er und kramt eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seiner Latzhose.
Im Ohr steckt eine Schraube
Flöru wirkt wie einer, der im lokalen Schwingklub und gleichzeitig bei den Hells Angels aktiv ist. Ein bodenständiger «Chrampfer», der sich aber nicht allen gesellschaftlichen Normen unterwerfen will. Im linken Ohrläppchen dient eine Schraube als Schmuck.
Als Lastwagenchauffeur habe ich x-tausend Tonnen solcher Steine geführt.
Flöru bläst Rauch durch seinen Vollbart. Er wolle nicht auf einen Friedhof. Und als sein Grossvater vor knapp sechs Jahren starb, sei die Frage nach dem Grabstein aufgekommen.
Für ihn sei schnell klar gewesen: «Ich will einmal einen zyklopisch, formwilden Jurastein. Damals war ich Lastwagenchauffeur und habe x-tausend Tonnen solcher Steine geführt.»
Wenige Tage später im Steinbruch beim Beladen seines Lastwagens sah er ihn plötzlich. Ihm war sofort klar: «Das wird mein Grabstein.»
Die Reaktionen auf seinen Grabstein seien meist positiv. «Manch einer schüttelt schon den Kopf. Aber es ist mein Wille, und der Rest interessiert mich nicht», sagt Flöru.
Vater nahm sich Sohn zum Vorbild
Seit fünf Jahren steht der Grabstein nun im Waldstück, das ihm gehört. Unterdessen ist Dübis Vater gestorben. Herzstillstand mit 66 Jahren.
Sein Sohn war ihm ein Vorbild. Anderthalb Jahre vor seinem Tod sagte er Flöru beim Arbeiten im Wald, er wolle einmal bei der Linde hier im Wald begraben werden. Nun liegt er wenige 100 Meter entfernt von Flörus Grabstein begraben.
Dass sich Dübi intensiv mit seinem Tod beschäftigt, hat übrigens keinen religiösen Hintergrund. «Laut mir ist das Glaubenszeug erstunken und erlogen. Ich bin da absolut frei. Ich glaube nur an mich.»
Plötzlich platzen Flörus Töchter (drei- und fünfjährig) ins Interview beim Grabstein. Die Ältere hat ein grosses Stück Moos in der Hand und setzt dem Grabstein eine Mütze auf. Wissen die Töchter, was für ein Stein das ist? Die ältere Tochter gibt die Antwort selbst: «Ja, wenn du einmal stirbst, Päpu, dann liegst du hier.»
Eine Entlastung für das Umfeld
Auch Sandra, seine Frau, stösst dazu. Sie unterstützt Florian mit seinem Grabstein: «Ich finde es gut, dass ich weiss, was er will. Das ist eine Entlastung für mich.»
Bei Dübis geht man offen mit dem Thema Tod um. Das ist ansteckend. Und man fragt sich: Sollte man sein Testament auch endlich in Angriff nehmen? Und vielleicht im gleichen Zug auch noch die Eckpunkte der Beerdigung planen?
Barbara Schärz macht genau das: mit Menschen, deren Tod planen. Seit sieben Jahren bereitet sie mit ihrer Firma «Funeral Planning» ihre Kundinnen und Kunden auf den Tod vor.
Ausschlaggebend waren zwei Todesfälle in ihrem Umfeld. Einmal ihre Tante: «Die hatte alles vorbildlich geregelt. Ich als Hinterbliebene musste nur noch ausführen, das war eine grosse Hilfe.»
Zur selben Zeit starb der Vater einer Freundin von ihr: «Der hatte noch eine Firma und dort wurde es ziemlich kompliziert.» Schärz merkte, dass dies ein grosses Bedürfnis ist, seinen Tod zu regeln.
Das Geschäft mit dem Tod
Sie habe vereinzelt auch jüngere Personen, die mit ihr den Abgang planen: «Das hat aber meist damit zu tun, dass jemand in der Familie starb und irgendetwas mühsam war.»
Sie unterstützt beim Schreiben des Testaments, bringt die Wünsche für die Beerdigung zu Papier und hilft, wenn gewünscht, auch bei der Durchführung der Beerdigung.
Wo ist der Schmuck versteckt, wo der Tresorschlüssel? «Ich könnte eine Top-10-Liste erstellen, mit den kreativsten Orten, an denen die Leute ihre Sachen verstecken», sagt Schärz.
Die Orte dieser Verstecke müsse man unbedingt schriftlich festhalten. «Sonst wird plötzlich die Kommode weggegeben, die in einem Geheimfach den ganzen Schmuck beinhaltet.»
Wer erbt mein Büsi?
Nicht vergessen dürfe man die Haustiere. Im Testament kann man festhalten, wer sich künftig um die Haustiere kümmern soll. «Viele haben da ganz klare Vorstellungen und wissen genau, zu wem der Hund oder die Katze nicht gehen soll», sagt Schärz.
Eine Kundin hat sogar das Menu für das Essen nach der Beerdigung definiert.
Bei der Planung der Beerdigung gebe es praktisch keine Grenzen, sagt Barbara Schärz. Erstmals sei es wichtig, die Bestattungsart zu definieren.
Dann könne man etwa wählen, welche Blumen es am Grab und bei der Trauerfeier haben soll. «Eine Frau sagte einmal, sie wolle unbedingt Maiglöckchen. Ich sagte, dass sie in dem Fall aber unbedingt im Frühling sterben müsse. Wir mussten beide lachen.»
Andere planen ihre Beerdigung bis ins Detail. «Eine Kundin hat sogar das Menu für das Essen nach der Beerdigung definiert.»
Sich konkrete Gedanken über den eigenen Tod zu machen, kann befreiend wirken. Das hört auch Barbara Schärz immer wieder von ihren Kundinnen und Kunden: «Die sind jeweils total erleichtert. Das sieht man ihnen dann wirklich auch an.»
Und auch Flöru sagt: «Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn man vorbereitet ist.»