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Bundesbrief
Legende: Ein kleines Stück Pergament: Der Bundesbrief, datiert auf Anfang August 1291. Keystone

Im Bundesbriefmuseum «Die Schweiz ist nie gegründet worden»

Das Bundesbriefmuseum in Schwyz wurde als Denkmal für das berühmte Dokument von 1291 gebaut. Heute berichtet es von den Fakten und Mythen der Schweizer Geschichte – eine Ausstellung, in der man viel Schulwissen über Bord werfen kann.

Ein ganzes Museum für ein kleines Stück Pergament: 330 x 200 Millimeter. «Diese Grössenverhältnisse zeigen, welche Bedeutung dem Bundesbrief von 1291 beigemessen wurde, als dieses Haus 1936 gebaut wurde», sagt die Direktorin Annina Michel.

Blick von der Treppe hoch zum Museumseingang mit patriotischer Fassadenkunst.
Legende: Ein ganzes Museum für ein kleines Stück Pergament. Keystone

Der Bau verströmt das Pathos der Geistigen Landesverteidigung: Der Blick der Besucher wird von unten, über eine imposante Treppe zu einem Wandgemälde der schwörenden Eidgenossen gelenkt.

Ein komplexes Geflecht regeln

Im Museum erfährt man dann, dass es nie einen Rütli-Schwur gab: «Die Schweiz wurde nicht gegründet, weder 1291 noch zu einem anderen Zeitpunkt», sagt die Historikerin Annina Michel. «Die Eidgenossenschaft hat sich sehr langsam zu einem komplexen Geflecht aus verschiedenen Bündnissen entwickelt.»

Der Bundesbrief ist nur eines von vielen Landfriedensbündnissen aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die im Museum in einer Reihe ausgestellt sind. Diese mittelalterlichen Abkommen wurden jeweils auf Pergament besiegelt. Sie sollten regeln, wie die beteiligten Orte und Talschaften in Frieden miteinander leben konnten.

Bedeutung ist politisch

Sommer-Serie «Museum»

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Wir begeben uns auf Streifzug durch die Museumslandschaft Schweiz – ab 24. Juli 2017 werktags um 17:22 Uhr auf Radio SRF 2 Kultur.

Für das Bündnis von 1291 interessierte sich jahrhundertelang kaum jemand. Erst im späten 19. Jahrhundert, der Zeit des Nationalismus, wurde das Abkommen zur Gründungsurkunde der Schweiz erklärt.

«Das war eine politische Entscheidung», sagt Annina Michel. «Der Bundesrat wollte im immer noch zerstrittenen Bundesstaat ein Nationalgefühl etablieren.» Über die gemeinsame Geschichte wollte man damals, während der Nachwehen der Sonderbundkriege, einen inneren Zusammenhalt herstellen.

Weil der Bundesbrief auf Anfang August 1291 datiert ist, wurde erstmals am 1. August 1891 ein grosser Nationalfeiertag inszeniert. Zum 600-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft.

Entzaubert, nicht zertrümmert

Bis heute wird mit dem Bundesbrief gerne Politik betrieben. Das zeigen Hörstationen mit Reden zum 1. August. Doch den Ausstellungsmachern geht es nicht um Mythenzertrümmerung.

«Es ist uns wichtig, den Wert dieser Mythen für die Schweizer Gesellschaft in den letzten 150 Jahren herauszustreichen», betont Annina Michel. Der Bundesbrief habe heute, unabhängig von seiner Bedeutung im Mittelalter, einen hohen Symbolwert für die Schweiz.

Ein Staunen bleibt

Es gelingt der Ausstellung, die vor drei Jahren neu gestaltet wurde, anschaulich von den historischen Fakten zu berichten. Parallel dazu erzählt sie die Geschichte der Mythen zur Schweiz, die immer auch zur Identitätsstiftung benutzt wurden.

Auch wenn man viel Schulwissen über Bord werfen muss: Am Ende bleibt ein grosses Staunen darüber, dass ein so heterogenes Gebilde wie die Schweiz schon so lange als Land weitgehend friedlich funktioniert.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 2.8.2017, 17.20 Uhr.

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