Geld floss reichlich in die Schweiz. Blutgeld. Verdient mit der nie entlohnten Arbeit von Sklaven auf Plantagen.
Aber auch der Sklavenhandel selbst war lukrativ für Schweizer Familien und Unternehmen. Denn das brutale Geschäft war risikoreich und zeitintensiv. Man benötigte deshalb Financiers und Versicherungen.
Der Dreieckshandel lief so ab: Stoffe aus Schweizer Produktion, Waffen und Alkohol wurden nach Westafrika verkauft. Dort nahmen die Schiffe neue Ware an Bord: Menschen, die versklavt und über den Atlantik verschachert wurden.
Dann kehrten die Schiffe wieder nach Europa zurück, vollbeladen mit Baumwolle, Zuckerrohr, Kaffee oder anderen Kolonialwaren.
Unbequemes Kapitel der Schweizer Geschichte
Es ist kein gänzlich unbekanntes Kapitel Schweizer Geschichte, aber ein unbequemes, das gerne verdrängt wird. Wer Genaues wissen will, kann in der Datenbank der Stiftung cooperaxion die Details der Schweizer Beteiligung am Sklavenhandel erfahren.
Oder man liest Hans Fässlers Standardwerk «Reise in Schwarz-Weiss – Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei».
Die Schweiz profitierte im Windschatten der Kolonialmächte von diesem Menschheitsverbrechen. «Man muss nicht unbedingt ein Gewehr in der Hand halten, oder ein ganzes Land regieren, um zum Komplizen im Sklavenhandel zu werden», sagt der britische Soziologe Kehinde Andrews. «Die meisten europäischen Länder waren involviert.»
Bis zu 25 Millionen Menschen ausgebeutet
Kehinde Andrews lehrt am einzigen europäischen Studiengang für «Black Studies» an der Birmingham City University und setzt sich vehement für Wiedergutmachung ein. Für Reparationszahlungen an die Nachkommen der ehemaligen Sklaven sowie an die Länder Afrikas, deren Populationen durch den Sklavenhandel massiv dezimiert wurden. Insgesamt – so schätzt man – wurden damals zwischen 11 und 25 Millionen Menschen versklavt und ausgebeutet.
«Das Geschäft mit Sklaven und die Erträge aus den Plantagen waren so lukrativ, dass man die Sklavenhalter in Grossbritannien nach Abschaffung der Sklaverei entschädigt hat», führt Kehinde Andrews aus. «Wenn man den Besitzern von Sklaven zahlt, dann hätte man die Sklaven selbst auch entschädigen müssen».
«Es ging genauso weiter»
Aber nichts davon geschah. In den USA versprach man 1865 den befreiten Sklaven «40 acres and a mule» (40 Morgen Land und einen Maulesel), um ein neues befreites Leben beginnen zu können. Nichts davon wurde je Wirklichkeit.
«Das Ende der Sklaverei bedeutete nicht, dass man aufhört, schwarze Menschen schlecht zu behandeln. Es ging genauso weiter. Kolonialismus und Rassismus wurden fortgeführt. Die Afrikaner und ihre Nachkommen hatten nie die Chance auf gleiche Rechte. Die Idee, dass man irgendwann Gleichheit erreichen wird, ist Unsinn. Der Westen verwendet sie nur, um nicht die Verantwortung für die heutige Situation übernehmen zu müssen.»
Fortschritt auf Kosten der Sklaven
Kehinde Andrews zählt die Folgen auf, deren Ursachen nach wie vor in den 300 Jahren Sklaverei zu finden sind: Armut und Perspektivlosigkeit in weiten Teilen Afrikas.
Armut aber auch bei den Nachkommen der Sklaven. Nicht nur in den USA, sondern überall, wo Sklavenarbeit drei Jahrhunderte lang den Westen reich machte.
«Die DNA des Westens ist Rassismus», sagt Kehinde Andrews. Der Handel, die Industrialisierung, all das wäre ohne die Ausbeutung von Sklaven nie möglich gewesen.
Die Antwort ist einfach
«Bis heute ist Rassismus das beherrschende Prinzip unserer Ökonomie», erläutert er und schlägt den Bogen von der Ausbeutung der afrikanischen Bodenschätze für westliche Technologie bis zur Billigproduktion von Textilien in Asien.
Auch die Brutalität im Umgang mit Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken, ist nichts anderes als gelebter Rassismus, so Kehinde Andrews.
Wie kann man diese Negativspirale von Rassismus und Ökonomie beenden? Die Antwort ist einfach: Gerechtigkeit. Der Westen hat 300 Jahre lang von unbezahlter Arbeit profitiert und sich auf Kosten der Sklaven bereichert und ökonomisch entwickelt.
«Wiedergutmachung darf nicht nur symbolisch sein»
Würde man den Wert dieser nicht entlohnten Arbeit berechnen, käme man allein in den USA auf eine Summe zwischen 4,9 und 15 Trillionen Dollar. All die persönlichen Traumata, die sozialen Folgen nicht einberechnet.
«Diese Summen würden jede Volkswirtschaft ruinieren», meint Kehinde Andrews. Deshalb fordern die karibischen Staaten schon lange andere Formen von Reparationen: Einen kompletten Schuldenerlass für die «Dritte Welt» oder Investitionen in Bildungsprogramme.
«Das ist alles gut und richtig», meint Kehinde Andrews. «Wiedergutmachung darf aber nicht nur symbolisch sein. Es geht auch um Geld.»