Mit wenigen Klicks können Menschen aus Bern seit dem 1. April 2022 online ihr ganz persönliches christliches Ritual buchen.
«Gerade distanzierte Mitglieder wissen oft gar nicht mehr genau, wo sie sich melden sollen, wenn sie zum Beispiel eine Taufe wollen», sagt Sonja Gerner, evangelisch-reformierte Pfarrerin und Mitgründerin der Ritualagentur. Doch das Bedürfnis nach gewissen Ritualen – insbesondere bei wichtigen Lebensübergängen – sei auch bei diesen Menschen noch immer gross, meint die Pfarrerin.
Mit wenigen Klicks zum Ritual
Die Ritualagentur – so heisst der Verein – verspricht aber nicht nur einen vereinfachten Zugang zu Ritualen, sondern möchte auch Rituale anbieten, die nicht traditionell christlich sind. Sonja Gerber nennt ein paar Beispiele: «Das können Rituale beim Umzug in ein neues Zuhause sein, oder Abschiedsrituale, wenn man in ein Altersheim zieht. Oder auch Rituale für Paare, die sich trennen».
Solch individuelle Rituale werden heute oft von alternativen und nicht-christlichen Ritualbegleitenden angeboten. Springt die Ritualagentur also hier einfach auf einen Trend auf, um nicht noch mehr Menschen an nicht-christliche Anbieter zu verlieren?
Sonja Gerber verneint dies und meint: «Wir sind alles auch Seelsorgende und wir gestalten auch heute schon ganz oft individuelle Rituale. Gemacht haben wir das also bisher auch schon.» Neu sei dabei einfach, dass solch individuelle Rituale in einem grösseren Stil angeboten werden.
Kirchliche Rituale bleiben im Fokus
Die Ritualagentur möchte sich klar von alternativen Angeboten abgrenzen, indem ihre Rituale klar christlich ausgerichtet sind. «Wir sind ja alles evangelisch-reformierte Pfarrerinnen und diese Rolle legen wir auch für die Ritualagentur nicht ab», betont Sonja Gerber.
Der christliche Hintergrund wird ausserdem durch die evangelisch-reformierte Kantonalkirche der Kantone Bern-Jura-Solothurn gestärkt. Diese unterstützt die Ritualagentur nämlich finanziell. Die Ritualagentur ist also klar an den Rahmen und die Kirchenordnung der Kantonalkirchen gebunden. Diese regelt zum Beispiel, dass eine Taufe mit wenigen Ausnahmen in einem gottesdienstlichen Rahmen stattfinden müsse. Dennoch empfindet Sonja Gerber dies nicht als einengend, denn die Kirchenordnung lasse doch einigen Spielraum zu.
Die Kirche braucht neue, digitale Angebote
Trotz offizieller Unterstützung der Kantonalkirche Bern-Jura-Solothurn, gäbe es dennoch offene Fragen: Die Kirchgemeinden sind heute lokal organisiert, zum Beispiel in Quartieren. Die Ritualagentur hält sich nicht an diese Organisation, sondern bietet ihre Dienste für die ganze Stadt Bern und Umgebung an. Die Kirchgemeinden befürchten, dass die Ritualagentur zu einer Konkurrenz für sie wird.
Sonja Gerber betont jedoch, dass sie sich nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Ergänzung: «Wir sind auf der Suche nach neuen Formen des Kirche-Seins und wir merken, dass nicht alle Menschen diesen Bezug zur örtlichen Kirchgemeinde mehr haben». Das Angebot der Ritualagentur möchte genau die Menschen ansprechen, die die Angebote der lokalen Kirchgemeinden heute sowieso nicht nutzen.