«Chinesen kolonialisieren Afrika» taucht in vielen Berichten auf. Meist geht es um geostrategischen Einfluss, Kredite und Grossprojekte auf dem Kontinent. Abseits der internationalen Aufmerksamkeit steht ein buddhistisch-taiwanesisches Waisenhaus in Malawi, das eine andere Perspektive auf chinesische «soft power» öffnet.
Der preisgekrönte Film «Buddha in Afrika» richtet die Kamera auf einen malawischen Jungen, der als kleiner Halbweise in die buddhistische Institution kommt und dort unsanft von seinen kulturellen Wurzeln getrennt wird.
Chinesisch und Buddhismus für afrikanische Kinder
Mit Spendengeldern betreibt die Organisation ACC, unter Leitung eines taiwanesisch-buddhistischen Mönches, Internate für benachteiligte Kinder. Sie lernen meditieren und buddhistische Texte rezitieren. Sie werden auch in chinesische Sprache, Schrift und Kultur unterrichtet, besuchen Kung Fu- und Yoga-Trainings.
Die Institution bietet den Jugendlichen Bildungschancen, die sie in ihrem Dorf nicht haben. Doch was auf der Webseite nach einer ganzheitlichen Erziehung klingt, wirkt im Film anders: Es herrscht eiserne Disziplin. Strafen und militärischer Drill sind an der Tagesordnung. Der junge Enock, die Hauptfigur des Films, entfremdet sich von seiner Familie im bitterarmen Dorf. Deren Traditionen und Sprache hat er verlernt.
Disziplin und Drill
Nicole Schafer, die südafrikanische Regisseurin des Films, unterstellt Mönch Hui Li, dem Gründer und Leiter des ACC, keine schlechten Absichten. Für ihn seien Disziplin und Drill die Zutaten für ein besseres Leben. Er glaube an den Nutzen des Buddhismus und der chinesischen Kultur für diese Kinder und erkenne nicht, wie archaisch seine Ideen seien, sagt Schafer in einem Interview.
Meister Hui Li ist ein in Taiwan angesehener Mönch. Ordiniert wurde er 1974 von Fo Guang Shan, dem grössten buddhistischen Orden des asiatischen Landes, sagt die Religionswissenschaftlerin Esther-Maria Guggenmos: «Der international erfolgreiche Orden steht für einen gesellschaftlich engagierten Buddhismus und ist auf zahlreichen Erdteilen präsent.» Meister Hui Li war Abt eines grossen Tempels in Südafrika. Später gründete er spendenfinanzierte Waisenhäuser; zuerst in Malawi, später in Lesotho, Swaziland und Namibia.
Missionarisch und kolonialistisch?
Hat dieser engagierte Buddhismus in Afrika missionarische Absichten, ist er gar kolonialistisch gefärbt? Guggenmos bestätigt beides. Doch sie betont, dass afrikanische Jugendliche mit einer solchen Ausbildung sowohl in ihren Heimatländern als auch in China sehr gute berufliche Möglichkeiten hätten.
Der Religionswissenschaftler Martin Baumann erklärt: «Diese Art des sozialen Engagements beruht auf der Idee, dass das im Mahayana-Buddhismus transzendent gedachte ‹Reine Land› bereits im Diesseits aufgebaut werden kann.» Die Praxis umfasse Studium und Rezitation von buddhistischen Texten, Meditation und soziales Engagement, so Baumann. Ob und wie solche Waisenhäuser zu bewerten sind, hänge vom Standpunkt ab.
In Europa wird die (christliche) Mission und eine paternalistische Entwicklungshilfe kritisch gesehen – als Reaktion auf die verheerenden Auswirkungen des europäischen Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf asiatischer Seite stellt man den sozialen Nutzen der Aktivitäten in den Vordergrund und betont die konkrete Hilfe für die Waisenkinder. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Reaktionen auf den Film «Buddha in Afrika» ausgefallen.