1. Mosche Kastel: «Der Gekreuzigte»
Jahrhundertelang wahrten Juden Distanz zu Jesus und dem Kreuz. Jesus ist für sie kein Christus, also kein Messias. Im Gegenteil: Im Zeichen des Kreuzes hatten Juden und Jüdinnen vor allem zu leiden. Erst vor rund 150 Jahren entdeckten jüdische Künstler Jesus und das Kreuz als Motiv für sich.2. Maurycy Gottlieb: «Christus predigt in Synagoge von Kapernaum»
Jüdische Künstler orientierten sich an der historischen Jesusforschung: Sie entdeckte, wie sehr Jesus Jude war und blieb.Diese Heimholung ins Judentum vollzieht nun auch die Kunst nach. Maurycy Gottlieb, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen zeigt in seinem historistischen Gemälde von 1878 Jesus in der Synagoge von Kapernaum bei der Tora-Auslegung.
3. Eres Israeli: «Ohne Titel»
Jüdische Künstler können sich erstaunlich leicht mit Jesus identifizieren. «Jesus ist einer von uns», erklärt Chefkurator Amitai Mendelsohn. Die Menschlichkeit Jesu, sein Jüdischsein und sein Leiden, - das seien allesamt Bezugspunkte für die jüdische Jesuskunst.
4. Samuel Hirszenberg: «Wandernder Jude»
Die Sonderschau «Das ist der Mensch. Jesus in der Israelischen Kunst» basiert auf der Forschungsarbeit von Amitai Mendelsohn. Er ist Leiter der Malerei-Abteilung des Israel-Museums. Die Schau ist ausserordentlich fundiert.Das Israel-Museum, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen hat die wichtigsten Werke auch online gestellt und den englischen Audiokommentar, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen dazu aufgeschaltet.
Hier sind viel zitierte Werke zu sehen, die sonst nicht ausgestellt sind. Zum Beispiel Samuel Hirszenbergs «Wandernder Jude» von 1899. Darin greift der polnisch-jüdische Künstler die antisemitische Legende vom «ewigen Juden» auf. Dieser Legende nach sei ein alter Jude vom gekreuzigten Jesus zu ewiger Wanderschaft verdammt worden. Hirszenbergs Bild ist nun ein kraftvoller Protest gegen die Pogrom-Gewalt, die Juden in Polen und Russland erlitten.
5. Moshe Hoffman: «6'000'001»
Mindestens ebenso stark wie die Pogromerfahrungen aus den 1880er Jahren schlägt sich später der Holocaust, die Shoah, in der jüdischen und später israelischen Kunst nieder. Jesus und sein Kreuz stehen nun in Auschwitz.6. Reuven Rubin:«Selbstbildnis mit Blume»
Kreuz und menschliches Leid dominieren die jüdische Beschäftigung mit Jesus in der Kunst. Nur selten, erklärt Kurator Mendelsohn, sind Anklänge an die Auferstehung Jesu zu sehen. Das sei ein christlicher Glaubensinhalt und den jüdischen Künstlerinnen und Künstlern ähnlich fremd wie die Idee von etwas Göttlichem in Jesus.Als Andeutung von Auferstehung, ewigem Leben oder Wiederbelebung vom Tode könnte man aber die weisse Lilie in der Hand des Künstler Reuven Rubin deuten.
Rubin war bereits in den 20er Jahren ins Lande Israel gekommen. Als Zionist glaubte er an die Wiederbelebung des jüdischen Volkes hier im Lande. Der Künstler Rubin deutet Auferstehung also selbstbewusst und zionistisch.7. Adi Nes: «Untitled (Last Supper)»
Das grossflächige Foto von Adi Nes löst bei den israelischen Ausstellungbesuchern unmittelbare Emotionen aus. Sie alle kennen diese Szene aus ihrer eigenen Militärzeit: Ein Sederabend zu Pessach im Feld. Gleichzeitig denkt man beim Bild sofort an Leonardo da Vincis letztes Abendmahl. Das war ja auch ein Sederabend. Unweigerlich beginnt man hier zu diskutieren: Sollte dies auch der letzte Seder für diese jungen israelischen Rekruten sein? Und: Für was oder wen opfern sie sich dann? Für uns?
Sendehinweis: Kultur kompakt, 13. März 2017, 7.30 Uhr auf Radio SRF 2 Kultur