Plötzlich war es still – unheimlich ruhig in einem Haushalt, in dem zwei Kleinkinder den Ton angeben. Der Kontrollblick zeigte: der ganz Kleine, ein wackerer Kerl, aber noch wackelig auf den Beinen, stand stolz auf unserem Beistelltisch. Zusammen mit dem Grossen, der grinste. Wäre der Beistelltisch noch gelaufen? Mutter will es sich nicht ausmalen.
Für mich ist dieser Holztisch auf Beinen, der gerade viral geht, schlicht der Horror. Auch als Mutter, aber vor allem als Mensch, der sich einbildet, ein Auge für Schönes zu haben. Auf 12 (!) Beinen, per Bluetooth gesteuert, kraxelt er durchs Wohnzimmer. Beispielsweise kann er Bier bringen: für Faulenzer, die sich lieber Bierliebhaber nennen, wohl ein feuchter Traum.
Im Internet wird das Tischchen gehypt. Entwickelt wurde es von einem Gameprogrammierer aus Holland, dessen Verdienst nicht zu schmälern ist. Komplizierte, ausgeklügelte Konstruktion: keine Frage.
Die Software für den Tisch hatte er schon 2008 entwickelt, nun kam das Stück endlich zustande. Einige Kunden waren gar dermassen aus dem Häuschen, dass sie gleich ein Dutzend Tische bestellten. Ob sie mit dem Grosseinkauf dann ihre tiny Wohnung vollstopfen? Von Funktionalität können manche nie genug kriegen.
Aber bevor mir dieses Ding ein Bierchen bringt, gehe ich lieber selber in die Küche. Im Galopp.
Nicht missverstehen: Ich kann’s natürlich bestens nachvollziehen, wenn man sich – einmal auf dem Sofa angekommen – nicht mehr bewegen mag. Füsse hoch, runterfahren: Das Ende des Tages ist meist ein Highlight für uns Menschen, die ja bekanntlich durchs Leben rennen.
Getrübt wird die Stimmung dann, wenn man noch etwas aus der Küche will: den süssen Snack oder den Guten-Abend-Tee, den man braucht. Aufstehen: ein Downer! Aber bevor mir dieses Ding ein Bierchen bringt, gehe ich lieber selber in die Küche. Im Galopp. Und abgesehen davon: Ich hätte das Bier ja trotzdem vorher auf das Tischchen stellen müssen. Stichwort: Mental Load.
Mönsterchen auf kurzen Beinchen, die man füttern muss, habe ich ja schon zwei in meinem Haushalt.
Meine Ablehnung hat übrigens auch mit meinem Energie-Haushalt zu tun: Mönsterchen auf kurzen Beinchen, die man füttern muss, habe ich ja schon zwei in meinem Haushalt. Ein Tischchen laden müssen, das noch mehr Unruhe in die vier Wände bringt: lieber nicht. Erstere sind wenigstens wirklich ganz süss.
Ich bleibe also lieber bei meinem Beistelltisch. Er ist übrigens schlicht, zurückhaltend, will nordisches Design sein. Da steh’ ich drauf. Für alle Liebhaber des lustigen Designs, die sich jedoch von einer versnobten Möchtegern-Design-Kennerin die Lust am laufenden Beistelltischchen nicht vermiesen lassen: Die Bau-Anleitung kann man sich gratis im Netz herunterladen. Do-it-yourself!