Nicht nur in Tel Aviv, in ganz Israel geniessen Homosexuelle, Transgender und Queer-Menschen eine LGBT-freundliche Gesetzgebung. So können etwa lesbische Frauen von der Fortpflanzungsmedizin profitieren und auch als Unverheiratete künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen.
In der israelischen Armee gelten Anti-Diskriminierungsgesetze. Hochrangige Offiziere können sich outen. Die Armee behandelt homosexuelle Paare mit Kindern gleich wie heterosexuelle: So werden etwa nie beide Elternteile gleichzeitig eingezogen.
Tel Aviv – eine Schutz- und Partyzone
All das hat dazu geführt, dass insbesondere Tel Aviv die globale LGBT-Szene anzieht. Partytouristinnen kommen ebenso wie schwule Flüchtlinge aus den palästinensischen Gebieten.
Die Hilfsorganisation Aguda rechnet mit 2'000 homosexuellen Arabern, die in Tel Aviv Zuflucht gefunden haben, wenn auch teils illegal.
2017 lief eine Viertelmillion Menschen aus aller Welt an der Pride-Parade in Tel Aviv mit. Fotograf Ilan Nachum hat die Parade für das Buch «Queer in Israel» dokumentiert.
Nachum hofft, dass der ESC ein ähnlich buntes, fröhliches und friedliches Fest wird. Als säkularer Künstler wünscht er sich, dass sein Land seine Liberalität beibehält und weiterentwickelt.
Hürden beim Heiraten
Denn es gibt noch Luft nach oben. Eine Baustelle für alle – egal welcher geschlechtlichen oder religiösen Orientierung – ist etwa der Umstand, dass es in Israel keine Zivilehe und kein staatliches Standesamt gibt. Alle Ehen müssen in Israel von religiösen Gerichten geschlossen werden.
Aber sowohl jüdische, christliche als auch muslimische Ehegerichte verbieten gleichgeschlechtliche Ehen. Das Fehlen der zivilen Ehe kritisieren Juristinnen, Menschenrechtler und Journalisten im Buch «Queer in Israel».
«Pinkwashing» als Vorwurf an Israel
Kontrovers diskutieren sie den Vorwurf gegenüber Israel, seine liberale Genderpolitik für sogenanntes «Pinkwashing» zu nutzen. Kritikerinnen und Kritiker unterstellen der israelischen Regierung, mit ihrer liberalen LGBT-Politik andere Menschenrechtsprobleme zu verdecken, respektive «rosa zu waschen».
Tatsächlich wirbt das israelische Tourismusministerium in einer expliziten Kampagne mit Davidstern im Regenbogen um homosexuelle Gäste. Mit Erfolg, wie man auch am diesjährigen ESC-Publikum sehen kann.
Die Mehrheit ist tolerant
Schwule und Lesben können in Israel so frei leben wie in keinem anderen Land des Nahen Ostens. Mit dieser Tatsache zu werben, sei nur legitim, findet der Journalist Frederik Schindler.
Die israelische LGBT-Aktivistin Noa Golani hingegen meint, die Netanyahu-Regierung tue nicht genug zum Schutz von LGBT-Personen. Sie fordert besseres Asyl für verfolgte Homosexuelle und mehr staatliche Leistungen für Flüchtlinge und Schutzhäuser.
Was Noa Golani optimistisch stimmt: Die Unterstützung der LGBT-Menschen seitens der israelischen Mehrheitsbevölkerung sei überwältigend.
In Tel Aviv herrscht also ein gutes Klima für den ESC und seine Fangemeinde.