Bereut er nun, oder bereut er nicht? Der griechische Titan Prometheus hatte den Menschen einst das Feuer geschenkt, gegen den Willen von Göttervater Zeus. Doch in den letzten 250 Jahren hat der Mensch damit Unheilvolles angerichtet – die Verbrennung fossiler Rohstoffe führte zur anrollenden Kilmakatastrophe.
Ein gewohnt sprachgewaltiger Sloterdijk
Diese beiden Phänomene, Mythos und fossile Realität, verknüpft der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk. In seinem 80-seitigen Essay «Die Reue des Prometheus» erläutert der 75-Jährige die Frage: Welche (Lösch-)Alternativen können wir als Prometheus' Erben entwickeln?
Sloterdijk schlägt dabei in gewohnt sprachgewaltiger, teils allzu verklausulierter Manier, den ganz grossen Bogen. Feuer, schreibt er, sei «eine der frühesten Grössen, die von Menschen als Manifestationen des transzendenten Prinzips ‹Kraft› und ‹Macht› aufgefasst werden konnten. Es war eine anfängliche Gottesmetapher neben Wind, Blitz und Sonne».
Menschheit als «Kollektiv von Brandstiftern»
Im Laufe der Geschichte aber hätten die Menschen ihre ehrfürchtige Dankbarkeit vergessen, seien zu einem «Kollektiv von Brandstiftern» mutiert. Mit der Erfindung der Dampfmaschine, von Zeitgenossen als «Feuermaschine» bezeichnet, habe ein zerstörerischer Verbrauch der Rohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle eingesetzt – Relikte der «unterirdischen Wälder» der Erde, wie er schreibt.
Eine Zukunft indes sei nur mit «post-prometheischer Energiegewinnung» möglich: Solartechnik, Biogas, Wind- und Wasserenergie, Erdwärme oder auch «mikroenergetische feuerfreie Systeme» wie etwa die Umwandlung jeglicher menschlicher Bewegung.
So weit, so bekannt. Aufschlussreich und innovativ werden Sloterdijks Gedanken, wenn er die mythische «Reue» in mögliches politisches Handeln übersetzt. Die entscheidenden Lösungsinstanzen sind für ihn dabei nicht die Gross-Akteure der Welt – Nationen, Megastädte, multinationale Konzerne. Die Rechte der Nationalstaaten an den «unterirdischen Wäldern», den fossilen Rohstoffen also, müssten vielmehr an die UN übergehen und als «Weltbodenschatzerbe» bewahrt werden.
Die «Helvetisierung» der Welt
Und ausserdem? Die lokalen Strukturen stärken. Wenn die Menschen lokal Einfluss hätten, würden sie sich noch mehr um ihren unmittelbaren Lebensraum kümmern wollen.
«Die Helvetisierung des Planeten allein würde die Weltkultur von ihren grossstaatlichen und hypermetropolitanen Gewaltmärschen in die Natur- und Selbstzerstörung abbringen.» Dieser lokale Einfluss-Zugewinn für kleinere Einheiten hätte zur Folge, dass die «Zweideutigkeit der Repräsentativsysteme realdemokratischen Verhältnissen» weichen würde.
Pointiert und zuweilen utopisch
Die kurze Lektüre birgt nachhaltigen Mehrwert, auch wenn der Sprachstil nicht jedermanns Sache ist. Dennoch: es ist ein verdichteter, pointierter, mitunter utopisch wirkender Pinselstrich. Zwischen den Zeilen drückt sich grosse Sorge des Autors aus.
Sein Gegenmittel: wieder zu staunen ob des Wunders der schieren blossen Existenz der Erde – um dann zu handeln, «nach-prometheisch» und verantwortungsvoll.