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Brezel
Aus 100 Sekunden Wissen vom 27.03.2023. Bild: Getty Images/Ira Heuvelman-Dobrolyubova
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Fastenspeise für alle Warum die Kirche an der Brezel einen Narren gefressen hat

Verschlungene Form, verwickelte Geschichte: Brezeln sind nicht nur zur Fastenzeit in vieler Munde. Wie konnte es nur soweit kommen?

Die Brezel ist auch ein Zankapfel. Die Elsässer wollen sie erfunden haben, die Bayern ebenfalls, und die Schwaben streiten sich in der Sache schon länger mit den Pfälzern. Aus wessen Küche sie ursprünglich kommt, weiss kein Mensch mehr.

Sicher ist: Brezeln sind in ihrer Form seit bald 1000 Jahren bekannt. Ihre Heimat ist hier bei uns nördlich der Alpen, in der Schweiz, dem Elsass, Süddeutschland und Österreich. Darum gibt es hier auch so viele Brezelsorten und Brezelfeste.

Stolz der Bäckerszunft

Historisch belegt ist, dass die Brezel früh zum Zunftszeichen der Bäcker wurde. Im Jahr 1111 gab Kaiser Heinrich V. der Bäckerzunft der Stadt Speyer das Recht, die Brezel als Bäckerwappen zu zeigen. Sie ist es bis heute geblieben. Und Speyer eine Brezelstadt.

Ein Mann hält ein Schild mit stilisierter Brezel aus Plastik in die Luft.
Legende: Wer will noch mal? Eine Brezel geht immer – ob in der Fastenzeit oder bei einem Baseballspiel, wie hier in den USA. Getty Images / Marc Serota

Tatsächlich ist in der Produktion viel Kunstfertigkeit gefragt: Zum Schlingen der Brezel braucht es eine professionelle Wurftechnik. Das ist nicht so einfach. Es handelt sich bei der Brezel um ein sogenanntes «Gebildbrot». Es gibt sie einfach geschlungen bis hin zu grossen geflochtenen Schaustücken. Viel zu schade zum Essen.

Fastenspeise und Klostergebäck

Im Mittelalter produzierten Klöster Brezeln vor allem zur Fastenzeit. Der Teig kann ohne tierische Anteile gefertigt werden. Mit Pflanzenfett statt Schmalz. Dann hat eine durchschnittliche Brezel nur 380 kcal.

Brezeln sind auch auf Abendmahlsbildern des 12. Jahrhunderts zu sehen. Da liegt sie mit auf dem Tisch, neben Brot und Wein – und verweist auf die Ewigkeit.

Grafik einer mittelalterlichen Szene, auf der fünf Personen an einem gedeckten Tisch sitzen.
Legende: Im «Garten der Wonnen» liegt eine Brezel. Die im Original «Hortus Deliciarum» betitelte Enzyklopädie wurde Ende des 12. Jahrhunderts im Elsass verfasst – der letzte Beweis, dass das Gebäck von dort stammt? Wikimedia Commons

Als älteste Darstellung gilt eine Buchmalerei vom Gastmahl der Königin Esther mit König Ahasver von 1160. Diese christliche Buchmalerei deutet das üppige Bankett im antiken Persien aufs Abendmahl um.

Ewigkeit und Dreieinigkeit

Die in sich verschlungene Brezel erinnert an eine 8, die für Ewigkeit steht. Die Brezel ist also eine Endlosschlaufe. Parallel zur Brezel gab und gibt es auch Ringe aus Brezelteig; auch sie haben «keinen Anfang und kein Ende» und deuten so auf die Ewigkeit hin.

Eine zweite theologische Aussage trifft die klassische Brezel mit ihren «Löchern». Es sind derer drei. Und die Drei steht immer für die Dreifaltigkeit Gottes in Vater, Sohn und Heiligem Geist.

Betende Ärmchen

Es gibt viele fromme Erklärungsversuche für die Brezelform, auch aus Frankreich. Dort habe sie ein Bäcker-Mönch erfunden, als er seine Mitbrüder am frühen Morgen im Schlaf beten sah: mit über dem Brustkorb überkreuzten Armen.

Auf einem Ölgemälde wuseln dutzende Menschen umher. In der Mitte wird eine Person in einer Prozession herumgefahren.
Legende: «Der Kampf zwischen Karneval und Fasten» (1559) von Pieter Bruegel d. Ä.: Am unteren Rand des berühmten Schaubilds sind deutlich Brezeln zu erkennen. Sie galten als Fastengebäck. Getty Images / Leemage / Corbis

«Ärmchen», auf dieses Wort gehe das Wort «Brezel» auch zurück: lateinisch brachiolum. Oder auf Lateinisch brachium für «Arm». Das Wort «Brezel» ist seit dem 12. Jahrhundert als «brezza» belegt.

Brezelgeschichten

Eine weitere historische Erklärung vergleicht die Brezel mit dem keltischen Knoten. Im Keltentum habe es bereits solch verschlungene Gebäcke gegeben, etwa den keltischen Ernteknoten. Der habe im Frühling bei heidnischen Fruchtbarkeitsritualen eine Rolle gespielt.

Ein Geflecht aus verschiedenen Metallsträngen, die ineinander verwoben sind.
Legende: Die Mutter aller Brezeln? Mit seinen ineinander verwobenen Strängen steht der keltische Knoten symbolisch für die Dreisamkeit aus Geburt, Leben und Tod. Wikimedia Commons

Dagegen hätten christliche Bäcker die Brezel erfunden. Und so habe die christliche Brezel dann den paganen Knoten verdrängt.

Hochkonjunktur hatte die Brezel nun tatsächlich im Frühling zur Fastenzeit. Und regional mag es sogar den Brauch gegeben haben, Brezeln statt Eier an Ostern für die Kinder zu verstecken.

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Fastenwähen: Einfach himmlisch
aus A point vom 31.01.2018. Bild: Betty Bossi
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Egal ob nun als klösterliche Fastenspeise oder Spassgebäck mit Bier und Butter: Die Brezel hat aus unserer Region heraus in die weite Welt geschafft.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 27.3.2023, 6:54 Uhr

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