Über den Tod spricht man nicht – oder zumindest nicht gern. Christiane Gräber allerdings spricht schon aus beruflichen Gründen oft über den Tod: Sie schreibt Trauerreden.
Ich treffe sie im Zürcher Kulturhaus Helferei in der Zwinglistube. Im ehemaligen Arbeitszimmer des Zürcher Reformators steht während des Festivals «Hallo, Tod!» ein Sarg.
Tod und Leben gehören zusammen
Die Begegnung mit dem Sarg soll den Menschen helfen, sich auf das Thema einzulassen, erklärt Gräber: «Wir lassen den Tod in unserem Leben immer draussen. Wir tun so, als gäbe es ihn nur bei den anderen.» Dabei sei es gut, wenn man sich dem eigenen Tod nähere. Wenn man ihn als Verbündeten und als Lebensbegleiter sehe.
Bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod denke man auch über das eigene Leben nach, sagt Gräber: «Man überlegt dann: Was mache ich eigentlich in meinem Leben? Man erkennt das Überflüssige und fragt sich: Mache ich weiter damit oder kann ich etwas ändern?» Der Tod und das Leben seien zwei Pole desselben, sie gehören zusammen.
Gespräche am Sarg
Deshalb spricht Christiane Gräber am Festival «Hallo, Tod!» viel über das Leben – in Einzelgesprächen in der Zwinglistube. Dabei steht immer der Sarg in der Mitte des Raums.
Makaber findet das Christiane Gräber nicht: «Der Sarg ist ein Gegenstand, der in unser Leben gehört, den wir aber möglichst verstecken.» Särge bekomme man nur im Bestattungsamt, im Krematorium oder auf dem Friedhof zu sehen – also erst dann, wenn der Tod schon da sei.
Sinn des Festivals «Hallo, Tod!» sei aber gerade der Kontakt mit dem Tod: «Da ist es doch das Beste, was uns passieren kann, wenn auch ein Sarg da ist.»
Tote ziehen die Schuhe nicht aus
Festivalbesucherinnen und -besucher dürfen bei Christiane Gräber im Sarg probeliegen. Mit einem etwas mulmigen Gefühl lasse ich mich auf das Experiment ein. Ich steige in den Sarg – die Schuhe dürfe ich ruhig anbehalten, sagt Gräber: «Die meisten Toten gehen ja auch mit den Schuhen in den Sarg.»
Dann fragt sie mich, ob sie den Deckel auflegen soll. Nach meiner Zustimmung wird der Sarg knarzend verschlossen. In der Dunkelheit liegend lasse ich mich von Christiane Gräber leiten. Ich solle mich fragen, wie mir mein Leben momentan gefällt. Woran sollen sich meine Mitmenschen nach meinem Tod erinnern?
Während ich darüber nachdenke, vergesse ich den Sarg. Das mulmige Gefühl weicht einer ruhigen Entspannung. Als ich dann von innen an den Deckel klopfe, lässt Christiane Gräber mich wieder aus dem Sarg.
Ich bin überrascht, wie entspannt ich bin, als ich heraussteige. Mein Leben umgekrempelt haben die Paar Minuten im Sarg kaum. Aber vielleicht werde ich nun häufiger innehalten und über das Leben nachdenken. Das nächste Mal dann wohl wieder ohne Sarg.