Die Sehnsucht, geliebt zu werden, steckt tief in uns Menschen. Doch Liebe lässt sich schwer erzwingen. So ist der Traum von einem Liebestrank, der im geliebten Gegenüber die Liebe entfacht, vermutlich so alt wie die Menschheit.
Das Gedankenexperiment «Liebespille» widmet sich dieser Thematik und fragt: Dürfen wir eine andere Person mittels einer Pille dazu bringen, dass Sie uns liebt?
Zunächst scheint die Antwort klar: Nein, schliesslich soll sich die andere Person ganz frei für mich entscheiden. Aber ist Liebe wirklich eine freie Entscheidung? Versuchen wir die Gefühle anderer nicht auch mit anderen Mitteln zu beeinflussen? Mit Parfüms, guten Leistungen, schönen Kleidern, Gedichten und Geschenken?
Die Liebe ist ein Thema, das unzählige Fragen aufwirft. Zwei Fragen sind aus philosophischer Sicht jedoch besonders interessant, da sie auf das Grundlegende zielen: Was suche ich eigentlich in der Liebe? Und: Kann ich meine Liebe begründen?
Eine Überwindung der Einsamkeit?
Auf die Frage, was wir in der Liebe suchen, gab die Tradition lauter vielversprechende Antworten: Geborgenheit, Verständnis, Anerkennung, Intimität, Intensität, Einzigartigkeit, Anregung, Selbsterkenntnis, Selbstvergessenheit, Fortpflanzung oder – ganz unbescheiden – Unsterblichkeit.
Der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm war der Ansicht, die Liebe sei nichts Geringeres als die Lösung des Grundproblems der menschlichen Existenz. Sie erlöse uns nämlich von der Einsamkeit, an der wir alle leiden.
Die Liebe reisst die Mauer nieder, die unser Ich von anderen Menschen trennt. Um dafür bereit zu sein, müssen wir nach Erich Fromm jedoch lernen, «unseren Narzissmus zu überwinden». Wenn er Recht hat, ist es um die wahre Liebe in unserer Selfie-Kultur also nicht zum Besten bestellt.
Lieben – ein eitles Spiel?
Der französische Existentialist Jean-Paul Sartre hatte die Liebe im Verdacht, selbst ein narzisstisches Instrument der Eitelkeit zu sein. Denn zu lieben heisse, geliebt werden zu wollen. Der Geliebte möchte in den Augen des Liebenden einzigartig, perfekt, ja göttlich sein. Nicht einer unter vielen, nicht Objekt irgendwelcher Interessen, sondern der Grund, warum der andere noch am Leben ist.
Man liebt nach Sartre also eigentlich nicht den anderen, sondern sich selbst, gespiegelt und zurechtgemacht in den Augen des anderen. Liebe mache nämlich blind, indem sie die geliebte Person idealisiert. Fragt sich: Sind die Gründe, warum ich jemanden liebe, blosse Einbildungen? Manchmal drängt sich dieser Verdacht auf. Etwa bei einer Trennung: Plötzlich hasst man Eigenschaften, die man zuvor an der Person geliebt hat. Lässt sich Liebe vielleicht gar nicht begründen?
Lieben wir die Person oder ihre Eigenschaften?
Der deutsche Philosoph Robert Spaemann schreibt: «Wer auf die Frage, warum er diesen Menschen liebt, eine Antwort geben kann, der liebt noch nicht wirklich.» Begründung: Man liebt eben einen Menschen, kein Bündel von Eigenschaften. Und doch können wir Merkmale nennen, die wir an der geliebten Person besonders mögen: ihre Herzensgüte, ihr Lachen, ihre Impulsivität zum Beispiel. Die Frage ist: Lieben wir sie wirklich deswegen? Oder würden wir sie auch lieben, wenn sie sich verändern und diese Eigenschaften verlieren würde?
Partnertausch gefällig?
Ein einfaches Gedankenexperiment zeigt, dass es nicht die Eigenschaften der Person sind, die wir lieben, sondern die Person selbst:
Stellen Sie sich vor, es käme jemand dahergelaufen mit denselben Eigenschaften, die Sie an Ihrer/Ihrem Geliebten mögen, aber angereichert mit zusätzlichen positiven Merkmalen.
Würden Sie tauschen wollen? Wohl kaum. Aber warum nicht? Eine Antwort könnte sein, dass Sie mit Ihrem Partner etwas teilen, das Sie mit niemandem sonst teilen: Eine gemeinsame Geschichte und unzählige Erinnerungen.
Der US-amerikanische Philosoph Robert Nozick gibt jedoch eine andere Erklärung: Ihm zufolge verschmelzen in einer Liebesbeziehung zwei Biographien zu einer einzigen.
Die Liebenden bilden zusammen ein «erweitertes Ich», ein «Wir». Einen anderen, besseren Partner zu wünschen, sei etwa so, wie ein anderes Ich zu wünschen. Die wenigsten von uns möchten das, obwohl wir wissen: Niemand ist perfekt.