Seit Corona fehlen den Schweizer Volkshochschulen die lernfreudigen Erwachsenen. Während der Pandemie sind die Anmeldezahlen stark gesunken.
Zwar pegeln sie sich langsam wieder auf einem höheren Niveau ein: «Die Anmeldungen liegen bei 80 bis 90 Prozent der Vor-Pandemie-Zahlen», so Pius Knüsel, Präsident des Verbandes der Schweizer Volkshochschulen. An einigen Volkshochschulen liegen die Zahlen aber auch deutlich tiefer.
Sprachen leiden besonders
Der Rückgang des Publikumsinteresses betrifft nicht alle Kurse. Besonders stark leiden die Sprachen, die einst zu den Publikumslieblingen gehörten. Das Interesse gehe bereits seit einigen Jahren deutlich zurück. «Die Anglifizierung der Welt wird spürbar», sagt Pius Knüsel. Warum soll man Portugiesisch lernen, wenn jeder Englisch spricht?
Die Beteiligung an Erwachsenenbildungsangeboten ist insgesamt zurückgegangen.
Die beschränkten Reisemöglichkeiten während der Pandemie haben den Negativtrend verstärkt. Sprachkenntnisse für den Urlaub aufzupolieren, war schlicht überflüssig.
Was hingegen nach wie vor gut funktioniert, sind Sprachkurse für Menschen, die aus anderen Ländern in die Schweiz kommen, um hier zu leben.
Nicht auf Kurs
Nicht nur die Volkshochschulen leiden an Publikumsschwund. Auch andere Anbieter von Bildungsprogrammen für Erwachsene würden das Problem kennen, sagt Katrin Kraus, die an der Universität Zürich einen Lehrstuhl für Berufs- und Weiterbildung innehat.
«Die Beteiligung an Erwachsenenbildungsangeboten ist insgesamt zurückgegangen.» Kraus verweist auf Zahlen, die das Bundesamt für Statistik erhoben hat. «2016 haben noch 62 Prozent der Wohnbevölkerung an Erwachsenenbildung teilgenommen, 2021 waren es 45 Prozent.»
Zurück zur alten Freizeit
Der Rückgang lässt sich zum Teil auf die Pandemie zurückführen: «Der Effekt ist nicht mit dem Ende der Massnahmen vorbei. Es gibt lang- und mittelfristige Folgen, vor allem im Teilnahmeverhalten», erklärt Katrin Kraus.
Auch Kulturanbieter wie Theater, Museen oder Kinos kennen das: Das Publikum kommt nach dem Ende der Pandemie nicht einfach wieder. Die Leute müssen erst «lernen», wieder ein Kultur- und Freizeitleben aufzunehmen.
Doch es ist nicht der Pandemie-Effekt allein, der für den Rückgang des Interesses sorgt. Um Erwachsenenbildung und damit auch die Volkshochschulen wieder zu stärken, brauche es zweierlei: «Gute Angebote, die dazu anregen, teilzunehmen und ein gesellschaftliches Klima, das Erwachsenenbildung wertschätzt», so Katrin Kraus.
Zum günstigen gesellschaftlichen Klima gehört, dass mehr über Angebote und Möglichkeiten der Erwachsenenbildung gesprochen werde – auch in den Medien.
Willkommene Generationen 60+
Auch der Faktor Zeit hat sich verändert. Wer durch Beruf und Familie gefordert ist, hat nur wenig Zeit und Energie, noch Kurse zu besuchen. Einige Volkshochschulen reagieren darauf bereits mit neuen Formaten. «Es gibt mehr kurzfristige und kurze Angebote», sagt Katrin Kraus. Spontaner planen, flexibler lernen: Das entspricht heute dem Bedürfnis vieler.
Andererseits fokussieren sich die Schweizer Volkshochschulen stärker auf ältere Leute, die mehr Zeit haben. «Es gibt immer mehr ältere Menschen. Die Demografie entwickelt sich zugunsten der Volkshochschulen», sagt Pius Knüsel vom Verband der Schweizer Volkshochschulen. Und die Volkshochschulen entwickeln sich zugunsten der Generationen 60+.