Florence Nightingale wurde in die englische Oberschicht hineingeboren. Eine Gesellschaftsklasse, in der Frauen heiraten, Kinder kriegen, die Zeit mit Konversation vertreiben und dem Ehegatten zur Seite stehen sollten.
Keine gelangweilte Dame der Gesellschaft
Doch Nightingale hatte andere Pläne, wie sie im Alter von 31 Jahren ihrem Tagebuch anvertraute: «Mein erster und letzter Gedanke, an den ich mich erinnern kann, war Krankenpflege. Man hat alles an mir versucht: Reisen, ins Ausland, gute Freunde – alles.»
Im viktorianischen England wurden Kranke vor allem zu Hause durch die Familie gepflegt. Nur Alleinstehende oder Arme landeten in Krankenanstalten. Dort wurden sie vom unqualifizierten Pflegepersonal mehr bewacht als gepflegt.
Moderne Erkenntnisse zur Pflege
Spitäler im modernen Sinn entwickelten sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Verbreitung der Narkose andere Formen von Eingriffen ermöglichte, aber auch eine sorgfältige Betreuung der Patienten verlangte.
Um dies zu erlernen, reiste Florence Nightingale nach Deutschland. In Kaiserswerth lernte sie bei den Diakonissen, wie man Verbände anlegt, Wunden versorgt, Medikamente herstellt und Sterbende begleitet.
Aus heutiger Sicht waren ihre Erkenntnisse logisch und banal, damals aber äusserst modern. So schilderte Nightingale einer Freundin: «Was in unseren Spitälern nottut, ist eine gründliche Kenntnis der Krankenpflege durch die Pflegerinnen. Deshalb müssten diese gut ausgewählt und richtig geschult werden.»
Zudem plädierte die Britin für eine bessere Spitaleinrichtung: Die Kranken sollten nach der Art ihrer Krankheiten in gesonderten Häusern untergebracht werden. «Die Zimmer sollte man gut lüften und reinigen können. Eine klare Pflegeordnung wäre aufzustellen, sodass die Schwestern jederzeit die Arbeit einer anderen übernehmen könnten.»
Einflussreiche Kontakte
Nightingale hatte gute Beziehungen bis zu Königin Victoria, sodass sie viele ihre Pläne gegen alle Widerstände durchsetzen konnte. Daneben betrieb sie wissenschaftliche Studien und lieferte statistisches Material, das den Nutzen einer guten Pflege und der Hygiene belegen konnte.
Sie legte den Grundstein zur Pflegewissenschaft. Zur Darstellung von Statistiken benutzte sie die bekannten Kuchendiagramme, als deren Erfinderin sie gilt.
Krankenschwester der Nation
Als Grossbritannien eigene Soldaten in den Krimkrieg entsandte und Meldungen über verletzte Briten die Runde machten, schickte der Kriegsminister persönlich Florence Nightingale an den Bosporus, um sich mit einer Gruppe von Krankenschwestern um die Männer in den Lazaretten zu kümmern.
Das Elend war unsäglich. Die Soldaten hatten keine Kleidung und wurden wochenlang nicht gewaschen. Rasch machten sich Seuchen breit. Dieser Einsatz hinterliess Spuren bei Nightingale: «Nie werde ich meine Soldaten vergessen. Ich habe ihnen in der letzten Stunde die Hand gehalten, ihnen die Augen zugedrückt und ihren Angehörigen den Tod anzeigen müssen.»
Ikone der Pflege
Für ihren Kampf für die Krankenpflege und die Hygiene wurde Florence Nightingale mit Orden ausgezeichnet. Henri Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes, würdigte sie in einer Rede als eigentliche Urheberin des Roten Kreuzes.
1910 im Alter von 90 Jahren starb Nightingale nach langer Krankheit zu Hause im Schlaf – betreut von einer Gesellschafterin und einer gelernten Krankenpflegerin.