«Finde den Fehler», steht unter einem Foto einer fröhlichen Männerrunde, die sich um einen Tisch im Grünen versammelt. Es ist das Gruppenbild vom Richtfest für ein Haus in Krefeld, über das später in der Fachzeitschrift «Bauwelt» berichtet wurde.
Das Merkwürdige an dieser Fotografie von 1930: Da ragt ein Arm seitlich ins Bild, der zu keinem der Herren gehört. Die Architektin Marlene Moeschke-Poelzig wurde nachträglich einfach weggeschnitten, erzählt Katja Schechtner.
Männerlastige Gremien
Die Urbanitätsforscherin, die in Wien lehrt, kennt viele Beispiele von Stadtplanerinnen und Architektinnen, die aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt wurden. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart.
2012 etwa ging der renommierte Pritzker Preis an den chinesischen Architekten Wang Shu: «Ein Mann, der sein ganzes Leben lang mit seiner Partnerin Lu Wenyu zusammengearbeitet und mit ihr das Amateur Architecture Studio gegründet hat. Doch sie hat den Preis nicht bekommen.»
Noch immer, sagt Katja Schechtner, seien viele Jurys und Gremien im Bereich von Architektur und Städtebau männerlastig besetzt.
Bauende Frauen, früher und heute
Das Buch «Frauen. Bauen. Stadt» möchte einen Gegenpol setzen und herausragende Architektinnen rund um den Globus sichtbar machen, in aktuellen Gesprächen und historischen Porträts.
«Wir wollen zeigen, dass Frauen bereits seit 1850 stadtprägend gewirkt haben», sagt Katja Schechtner mit Blick etwa auf die vergessene Leistung der Bauingenieurin Emily Warren Roebling.
Sie vollendete die Brooklyn Bridge, die ihr Schwiegervater entworfen hatte. Nach seinem vorzeitigen Tod 1869 übernahm sie die Führung für den Bau dieser atemberaubenden Hängebrücken-Konstruktion.
Stadtplanung lebt von der Vielfalt
Lange hatten es Frauen schwer, in der Architektur zum Zug zu kommen – das wird in diesem Buch deutlich. Und im Bereich der Stadtplanung sind sie heute noch in leitenden Positionen untervertreten, sagt Katja Schechtner.
Sie ist überzeugt: «Wenn wir Frauen die Gestaltung von Stadträumen übergeben, kann eine besondere Qualität des öffentlichen Raums entstehen, die für alle besser ist.»
Natürlich planen Frauen nicht aus biologischen Gründen anders als Männer. Doch es ist wie bei allen Diskussionen über Vielfalt: «Jede Stadtentwicklung schöpft aus der persönlichen Erfahrung, und die ist bei Frauen eine andere», sagt Katja Schechtner.
Lebensqualität statt Effizienzsteigerung
Ein Beispiel aus den 1960er-Jahren: Die Stadtforscherin Jane Jacobs konnte damals verhindern, dass eine gigantische Autobahn mitten durch New York gebaut wurde. Ihr waren die Vielfalt der Quartiere und die Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen wichtiger als die Idee, möglichst schnell motorisiert zum Arbeitsplatz zu kommen.
Auch wenn sich die Lebenswelten von Männern und Frauen angenähert haben: Katja Schechtner fällt auf, dass sich Bürgermeisterinnen in der Stadtplanung oft stärker auf die Verbesserung der Lebensqualität als auf Effizienzsteigerung konzentrieren.
In Paris liess Anne Hidalgo die innere Stadtautobahn sperren: Wo früher der Verkehr der Seine entlang brauste, wird heute spaziert, gespielt, gejoggt – mitten in der Grossstadt ist ein Begegnungsraum entstanden.
Ein Buch, das den Blick für urbanen Wandel erweitert und zeigt, welchen Gewinn Gleichberechtigung in der Stadtplanung bringen kann.