1918 wütete in Südafrika die Spanische Grippe. Besonders bedroht waren schwangere Frauen und Neugeborene. Glück im Unglück hatten zwei kleine Babys, die keine 100 Kilometer voneinander entfernt das Licht der Welt erblickten: Nelson Rolihlahla Mandela am 18. Juli. Und Nontsikelelo Thethiwe am 21. Oktober.
Dank dem beherzten Eingreifen eines deutschen Priesters durfte Nontsikelelo eine Missionarsschule besuchen. Sie lernte Englisch, Xhosa, Mathematik, Geschichte, Geografie und wählte für sich den christlichen Namen Albertina.
Ausbildung zur Krankenschwester
1940 begann Albertina ihre Ausbildung zur Krankenschwester im Spital für Nicht-Europäer in Johannesburg. Die Stadt des Goldes war ein gefährliches Pflaster, bevölkert von kleinen Gaunern und Menschen im Goldrausch.
Über gemeinsame Freunde lernt Albertina Walter Sisulu kennen – ein Hirtenjunge, der sich zum Immobilienmakler hochgearbeitet hatte und dem African National Congress (ANC) angehörte.
Nelson Mandela als Trauzeuge
Nelson Mandela, der zu jener Zeit vor einer arrangierten Hochzeit nach Johannesburg geflüchtet war, hatte seine erste Stelle in einer Anwaltskanzlei den Kontakten von Walter Sisulu zu verdanken.
Die beiden wurden politische Wegbegleiter und Freunde fürs Leben. Bei der Hochzeit von Albertina und Walter Sisulu 1944 war Nelson Mandela Trauzeuge.
Sie kämpfte, als die Männer gefangen waren
Zwischen 1945 und 1958 bekamen Albertina und Walter fünf Kinder. In Südafrika begann die Ära der Apartheid.
Die schwarze Bevölkerung wehrte sich gegen die Diskriminierungen mit Streiks und Demonstrationen. Die Antwort der Regierung: Repression und Gefängnis.
Die Umstände zwangen Albertina Sisulu in die Politik. Als Walter Sisulu und Nelson Mandela 1964 als Mitglieder der militärischen Untergrundorganisation «Umkhonto we Sizwe» (Speer der Nation) zu lebenslangen Haftstrafen auf Robben Island verurteilt wurden, hielt Albertina die Kommunikation aufrecht zwischen den ANC-Kämpfern in Südafrika und im Exil.
Eine unerträgliche Situation
Während die Männer den politischen Kampf aus der Ferne führten, wurde Albertina mehrfach unter Hausarrest gestellt, in Isolationshaft gesteckt und musste miterleben, wie ihren Kindern gleiches widerfuhr.
«Ich konnte damit leben, dass man mich ins Gefängnis warf und meinen Mann jahrelang festhielt. Aber als meine Kinder inhaftiert wurden, fühlte ich mich vom Regime in die Knie gezwungen», erzählte Albertina Sisulu Jahre später ihrer Biografin und Schwiegertochter Elinor Sisulu.
Doch Albertina Sisulu kämpfte weiter für die Befreiung Südafrikas. 1989 wurde sie mit einer Delegation von George Bush im Weissen Haus empfangen, um über Sanktionen gegen das Apartheid-Regime in Südafrika zu diskutieren.
Unbesiegbar – und frei
1989 musste die südafrikanische Regierung ihre prominentesten Gefangenen freilassen: Walter Sisulu im Oktober, einige Monate später Nelson Mandela.
Nach der Befreiung wurde Albertina Sisulu ins erste demokratisch gewählte Parlament gewählt und verkündete die Nomination von Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas. Im selben Jahr feierten sie und Walter ihren 50. Hochzeitstag.
«Sie konnten sie nicht brechen, sie konnten sie nicht verbittern, sie konnten ihre Liebe nicht besiegen», ehrte Erzbischof Desmond Tutu die «Mutter der Nation» an ihrer Beerdigung.
Albertina starb am 2. Juni 2011, acht Jahre nach Walter Sisulu und zwei Jahre vor Nelson Mandela.