Zum Inhalt springen
Audio
Amok: Früherkennung und Gegenmassnahmen
Aus Kontext vom 01.06.2021. Bild: IMAGO / Eibner Europa
abspielen. Laufzeit 50 Minuten 42 Sekunden.

Früherkennung und Massnahmen Wie verhindert man einen Amoklauf?

Amokläufe sind selten. Aber sie geschehen – auch bei uns. Was kann die Polizei tun, damit es nicht zum Äussersten kommt?

Prävention ist das Stichwort. Der Jurist Beat Rhyner, stellvertretender Chef der Kriminalabteilung der Stadtpolizei Zürich, weist auf vorbeugende Massnahmen hin, die das Risiko eines Amoklaufs mindern. Drohungen, wie sie der Polizei relativ häufig angezeigt werden, können darauf hindeuten, dass eine Tat bevorsteht, sagt Rhyner.

Diese führen zu einem Strafverfahren: «Es kann zu Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen kommen.» Erhärtet sich der Verdacht, wird der Fehlbare zu einer Geldstrafe oder zu Haft verurteilt. Die Justiz kann auch Ersatzmassnahmen wie etwa Meldeauflagen anordnen oder den Täter zu einer Therapie verpflichten.

Vieles entkräftet sich schnell wieder

Äussert eine Person unspezifische Drohungen oder hat jemand das Gefühl, dass eine Gefahr droht, liegt kein strafbares Verhalten vor. Die Polizei kann dennoch einschreiten. Man nehme solche Meldungen heute ernster als vor 15 Jahren, betont Rhyner: «In der Regel führen wir zuerst eine Gefährdungseinschätzung durch», sagt er, gestützt auf die Informationen, die man habe: «Eine Grob-Triage: Muss man davon ausgehen, dass sich etwas anbahnen könnte?» Vieles würde sich schnell wieder entkräften.

Diffuse Verdachtsmomente würden häufig gemeldet – von Privatpersonen, psychiatrischen Kliniken, Psychologinnen und Psychiatern, von Behörden und Schulen aller Art. «Die Schulen der Stadt Zürich wenden sich zuerst an die eigene Fachstelle, die kann viel selber entschärfen», sagt Beat Rhyner. «Wenn sie der Meinung sind, dass weitere Massnahmen nötig sind, kommt die Fachstelle auf uns zu.»

Um die Gefährdung und die Eskalationsgefahr einzuschätzen, verwendet die Polizei spezialisierte Software. Ausserdem lassen sich frühzeitig weitere Abklärungen treffen, zum Beispiel mit forensischen Psychologinnen und Psychiatern und mit der Fachstelle «Forensik Assessment & Risk Management» der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

Das Gespräch mit einem Gefährder suchen

Liegt (noch) keine Straftat vor, kann die Polizei eine Risikoperson auch vorladen oder sie aufsuchen – zur «Gefährderansprache». «Dabei geht es vor allem darum, weitere Informationen zu beschaffen und sich ein Bild zu machen, wie jemand tickt, wie er denkt, was sein Problem ist», erläutert Beat Rhyner.

Die Polizei beurteilt die Schutz- und Risikofaktoren. «Schutzfaktoren bedeutet: Was stabilisiert ihn? Lebt er in geordneten Verhältnissen? Risikofaktoren sind beispielsweise: Hat jemand seine Arbeitsstelle verloren oder liegt eine psychische Erkrankung vor?»

Mit der Gefährderansprache will die Polizei auch auf die Person einwirken. «Manche lassen sich gut auf Gespräche ein», sagt Polizeioffizier Rhyner, «andere blocken ab.» Sehr vieles lasse sich allein durch Gespräche entschärfen, denn viele dieser Menschen seien froh, «wenn sie aus ihrer Sicht zum ersten Mal mit jemandem richtig sprechen können. Mit einer Person, die zuhört.»

Nach einem solchen Gespräch versuche die Polizei, ein fallbezogenes Case Management aufzubauen, Hilfe zu leisten, Probleme zu lösen. «Manchmal muss man nur Gespräche organisieren, Hilfe organisieren, eine therapeutische Begleitung und kann so ein Problem entschärfen.»

Video
Wie Amok-Opfer zurück ins Leben finden
Aus 10 vor 10 vom 25.07.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 20 Sekunden.

Was, wenn der Deeskalationsversuch nicht fruchtet?

Wenn die Bemühungen um Deeskalation nicht gelingen, nimmt die Polizei im Extremfall die Person fest: wegen Ausführungsgefahr, wenn anzunehmen ist, dass eine Tat kurz bevorsteht.

Mittlerweile verfügen alle Polizeikorps der Schweiz über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Gewaltschutz und Bedrohungsmanagement besonders ausgebildet sind, und sie haben spezialisierte Fachstellen eingerichtet. Dennoch gibt es keine absolute Sicherheit. «Es kann eigentlich überall passieren», stellt Beat Rhyner fest.

Damit es aber nicht zum Äussersten kommt, dafür arbeiten Fachleute aus Psychologie und Psychiatrie - in den Kliniken, Schulleitungen und bei der Polizei.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 1.6.2021, 9:03 Uhr

Meistgelesene Artikel