Wenn man Mutter wird, hat man viele Fragen. Man vergleicht sich mit anderen Müttern, sucht nach Orientierung. Früher waren die anderen Mütter vielleicht die Mütter auf dem Spielplatz. Heute sind die sozialen Medien dieser Spielplatz – und der ist rund um die Uhr geöffnet.
Überholte Rollenbilder
Was auffällig ist: Viele dieser Mütter verkörpern das Rollenbild einer Frau, die zu Hause bleibt. Die Kinder von der Schule zu den Hobbys fährt. Die kocht, putzt und am Abend immer noch blendend aussieht. «Stay-at-Home Moms» nennen sie sich.
Magdalena Petersson Mc Intyre, die schwedische Wissenschaftlerin für Konsumforschung, hat zwölf Influencerinnen interviewt und kommt in einer gerade veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass dieses Rollenbild bewusst genutzt werde, um für Markenprodukte zu werben.
Es gehe nicht darum, dem Putzen oder Kochen nachzugehen. Vielmehr diene die häusliche Umgebung als eine Art Kulisse, um Informationen zu teilen und Werbung zu platzieren.
Magdalena Petersson Mc Intyre fand in ihren Befragungen heraus, dass viele Influencerinnen nicht mit einer Mutter als Hausfrau aufwuchsen. Überhaupt sei die Identität, die sich die Frauen auf Youtube geben würden, fiktiv.
Das häusliche Umfeld werde zu einer Art Bühne umfunktioniert, auf der eine Show stattfinde. Wobei die Mischung zwischen Fiktion und Realität stimmen müsse so Petterson Mc Intyre. Es solle ja authentisch wirken.
Inszenierte Authentizität
Die Soziologin Susanne Richter arbeitet am Zentrum für Geschlechterforschung in Hildesheim. Für ihre Dissertation hat sie Beauty-Videos analysiert.
Richter interessiert besonders, wann Videos als besonders authentisch wahrgenommen werden. «Als authentisch werde ich wahrgenommen, wenn die anderen den Eindruck haben, mein wahres inneres Selbst und die Rolle, die ich aufführe, passen gut zusammen. Authentizität ist eigentlich eine gelungene Aufführung.»
Fragwürdige Vorbildwirkung
Auch wenn sich die beiden Wissenschaftlerin einig sind, dass da ja bloss gespielt wird: Haben diese Videos nicht doch Vorbildcharakter?
Forschungen dazu gibt es bislang nicht. Man kann nicht mit Bestimmtheit sagen, das in den Videos romantisierte alte Rollenbild bringe Frauen zurück an den Herd.
Junge Frauen wachsen in einer Gesellschaft auf, in der ihnen gesagt wird, es sei wichtig, dass sie schön und süss seien, sagt Richter. Gleichzeitig dürfen sie nicht den Eindruck erwecken, dass es ihnen wichtig ist, dass sie schön aussehen.
Bei aller Kritik an der fragwürdigen Vorbildwirkung: Susanne Richter betont, dass die Akteurinnen durch das Bloggen immerhin lernen, souverän mit diesen sehr widersprüchlichen Anforderungen umzugehen.
Widersprüchlichen Idealen der Gesellschaft entsprechen, ohne an dem Druck zu zerbrechen: Wenn das die emanzipatorische Leistung junger Frauen heute sein soll, besteht dringender Bedarf an einer Debatte darüber, was Weiblichkeit heute auszeichnet.