«Écriture inclusive»: So nennt sich die französische Version gendergerechten Schreibens, über die in Frankreich gerade hitzig debattiert wird.
Nachdem ein Verlag die Methode erstmals in einem Schulbuch angewandt hatte, folgte eine Welle der Empörung. Schulbuch «à la sauce feministe», «feministische Sauce», lästerte die Tageszeitung Le Figaro; der französische Philosoph Raphaël Enthoven kritisiert eine «Aggression» und Orwell'sche Manipulationsmethoden.
Widerstand gegen «lächerliches Stottern»
Vernichtend auch das Urteil des Philosophen Alain Finkielkraut: Die gendergerechte Schreibweise sei ein «völlig stupides Projekt» und bringe ein «lächerliches Stottern» in die Sprache.
Dass dennoch darüber diskutiert werde, beweise vor allem eines: Frankreichs Frauen seien nicht so unterdrückt wie die Feministinnen behaupten.
Die Académie française beschwört den Sprachtod
Mit einem dramatisch formulierten Pressekommuniqué reagierte die altehrwürdige Académie française, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts über die französische Sprache wacht. Das «Gendern» sei eine «tödliche Gefahr», warnt der Pariser Herrenclub.
Das umständliche Anfügen weiblicher Wortendungen zerstöre das hohe Kulturgut und bedeutete das sichere Aus der Weltsprache Französisch, so die Académie.
Affektierte Aufregung
Margaux Collet ist Sprecherin der nationalen Gleichstellungsbehörde. Sie beklagt eine «hysterische Debatte» und plumpes Manipulieren der Öffentlichkeit.
Die Mitarbeiterin der Gleichstellungsbehörde ärgert sich, wenn «Radio France» Jean de La Fontaines berühmte Fabel vom Raben und dem Fuchs durchgendert: «Als ginge es darum, die Literatur umzuschreiben oder die gendergerechte Schreibweise in der Grundschule zu unterrichten!»
In Frankreich ist das Gendern öffentlicher Dokumente noch immer die Ausnahme. «Im Vergleich zu französischsprachigen Ländern wie Belgien, Kanada oder die Schweiz hängen wir eindeutig hinterher», bedauert Feministin Collet.
Es sei kein Zufall, dass die Menschenrechte in Frankreich noch immer Männerrechte sind – «droits de l’homme» statt der längst üblichen «droits humains».
Das hegemoniale Prinzip Männlichkeit
Auch weibliche Berufsbezeichnungen kommen den Franzosen besonders schwer über die Lippen. Ein hartnäckiges Unterschlagen des weiblichen Geschlechts, das in aberwitzigen Titeln und offiziellen Anreden gipfelt – wie «Madame le président» oder «Madame le ministre».
Verteidigt wird die Männersprache regelmässig mit dem Argument der Ästhetik. Die «directrice d'école», also die Schulleiterin, ist geläufig, die weiblichen Bezeichungen für den Verwaltungs- oder Unternehmensdirektor gelten dagegen als hässliche Deformierungen der französischen Sprache.
«In Wahrheit geht es um soziales Prestige und Macht», sagt Margaux Collet.
Rückschlag für die Reformer
Frankreichs Gleichstellungsbehörde hat bereits vor drei Jahren einen offiziellen Behördenratgeber herausgebracht, der weibliche Berufsbezeichnungen auflistet und die «einschliessende» Schreibweise erklärt und empfiehlt.
Premierminister Edouard Phillipe, der die Ministerinnen seiner Regierung ebenfalls «Madame le ministre» nennt, hat Frankreichs Behörden nun zurückgepfiffen. In einem Rundschreiben forderte er die Beamten auf, sich beim Verfassen offizieller Texte an die geltenden Französischregeln zu halten. Ein Punktsieg für die Académie française.