48 Autobahnraststätten säumen das Schweizer Nationalstrassennetz. Da gibt es etwa das «Heidiland», ein Kitsch-Schlösschen im bündnerischen Maienfeld. Dann wäre da der «Fressbalken» in Würenlos und sein kleiner Bruder in Pratteln, früher «Windrose» genannt, die beide ein futuristisches Aussehen haben.
Manche Raststätten wurden von weltbekannten Architekten gebaut wie die «Stalvedro» am Gotthard Südportal, eine filigrane Stahlkonstruktion, die Mario Botta entworfen hat, oder die schwungvoll elegant wirkende Raststätte Deitingen Süd vom Pionier des Schalenbaus Heinz Isler, die die Aufbruchstimmung der 1960er-Jahre symbolisiert, als die ersten Autobahnen in der Schweiz uneingeschränkte Mobilität versprachen.
Raststätten als Sehenswürdigkeiten
Der Berliner Schriftsteller Florian Werner besitzt selbst kein Auto. Aber er ist fasziniert von diesen unscheinbaren Orten, an denen sich niemand heimisch fühlt und die meisten nur hinkommen, um gleich wieder zu gehen. Mehrere Tage hat er auf einer Raststätte bei Hannover verbracht. Wie ein Forscher einer fremden Kultur nähert er sich der Raststätte.
Etwa 450 Raststätten gibt es in Deutschland, an denen mehr als eine halbe Milliarde Reisende Halt machen. Damit haben sie mehr Besucher als der Kölner Dom, das Brandenburger Tor und das Oktoberfest zusammen, schreibt Werner. Für ihn sind Raststätten vergleichbar mit klassischen Sehenswürdigkeiten. In ihnen spiegelt sich die Kultur und Mentalität der letzten 80 Jahre.
Es begann mit Hitler
Die Planung der Raststätten begann mit dem Bau der Autobahnen während dem Nationalsozialismus.
Die erste Raststätte lag am Chiemsee, auf halber Distanz zwischen München und dem Wochenendhof von Adolf Hitler am Obersalzberg. Sie bot 2000 Gästen Platz und orientierte sich architektonisch an den umliegenden Bauernhöfen. Neben dem praktischen Nutzen sollte sie ein idyllisches Deutschlandbild vermitteln.
Nach dem Krieg verlief auch die Geschichte der Raststätten geteilt. Die ostdeutschen Betriebe wurden ironischerweise privatwirtschaftlich geführt, während die westdeutschen staatlich waren.
In der Schweiz wurde 1967 in Kölliken die erste Autobahntankstelle eröffnet. Ein Restaurant war vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Aber der Pächter hatte für hungrige Autofahrer einen ausrangierten SBB-Wagon hingestellt. 1972 wurde dann bei Würenlos das damals längste Autobahnbrücken-Restaurant der Welt gebaut.
Die Raststätte, meine Heimat
Florian Werner hat mit Menschen gesprochen, für die die Raststätte ein Ort der Identifikation ist. Einem Pächter etwa, der die Anlage in dritter Generation führt. Oder einem LKW-Fahrer, der aus einer Fernfahrer-Dynastie stammt. Auch untersucht er mit einem Botaniker den Rastplatz. 260 Pflanzenarten entdecken sie, die er alle auflistet.
Werners Buch ist ein Plädoyer sich den vermeintlichen Unort sorgfältiger anzusehen. Es ist eine Mischung aus anekdotenreicher Reportage, kleiner philosophischer Abhandlung und vielen originellen Überlegungen.