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Wie der Tourismus nach Zermatt kam
Aus 10 vor 10 vom 10.07.2015.
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Geschichte der Schweizer Ikone Wie das Matterhorn «instagrammable» wurde

Seit Jahrzehnten schaut die Welt aufs Matterhorn: Der Berg fasziniert Bergsteigerinnen, Forscher und Instagrammer.

Das Matterhorn, auch liebevoll «Horu» genannt, ist eine Schweizer Ikone. Seit die ersten Bergsteiger ein Auge auf den Berg geworfen haben, ist er nicht mehr aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit verschwunden.

Einst wurde das Matterhorn gemieden. Einheimische Legenden erzählten von Eis, Kälte und bösen Dämonen, die am Berg wohnten. Das änderte sich, als Biologen und Geografen sich in die hochalpine Bergwelt vorwagten. Künstler, Touristinnen und Bergsteiger folgten ihnen.

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So sah Zermatt aus, als die ersten Touristen kamen
Aus Kultur Extras vom 22.09.2020.
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Um 1860 bot der britische Unternehmer Thomas Cook die erste Pauschalreise in die Schweiz an. Der Zermatter Hotelbesitzer Seiler beherbergte die in Scharen kommenden englischen Touristen.

Das nun in Alpen-Reiseführern erwähnte Matterhorn wollte bestaunt werden – und erobert: Ein Wettlauf begann, wer als Erstes das Matterhorn erklimmen würde.

eine Zeichnung eines Berges mit grüner Landschaft und wenigen Häusern im Vordergrund
Legende: Das erste Bild des Matterhorns: Hans Conrad Escher von der Linth malte das Matterhorn 1806 zuerst von Schweizer Seite, dann von italienischer. Zentralbibliothek Zürich, Escher v. d. Linth: Das Matterhorn, H.C. ZEI 1.1806.0814

Der Bergsport wurde zum beliebten Nervenkitzel der Oberschicht. Montblanc, Jungfrau, Piz Bernina: Sie alle wurden bestiegen. Nur das Matterhorn galt als unbezwingbar.

14. Juli 1865: Erstbesteigung

Die meisten Gipfelstürmer kamen aus England. So war es auch ein Brite, der nach jahrelangen Versuchen als Erster den Gipfel des Matterhorns erreichte. Sein Name war Edward Whymper. Nach Zermatt schickte ihn sein Verleger, denn Whymper war Illustrator.

Eine schwarz-weisse Bildmontage mit den 7 Erstbesteigern des Matterhorns und der Berg im Hintergrund
Legende: Erstbesteiger Edward Whymper (eingefärbt) und die zwei Zermatter Bergführer (hintere Reihe, ganz rechts und ganz links) überlebten den Absturz. Keystone / Photopress-Archiv / Bildmontage

Weltweit für Schlagzeilen sorgte hauptsächlich das Ereignis nach dem Gipfelsturm: ein Fehltritt, ein Schrei, ein gerissenes Seil – vier der sieben Kletterer stürzten beim Abstieg ab. Darüber, was genau geschah, wird heute noch diskutiert.

Die Touristen liessen sich davon nicht abschrecken, im Gegenteil: Der Todeskitzel machte den Berg noch reizvoller.

eine Zeichnung von mehreren Bergsteigern, die beim Abstieg stürzen
Legende: Die Tragödie kurz nach dem Triumph: Die Darstellung von Gustave Doré ging um die Welt. Keystone / Matthias Taugwalder

22. Juli 1871: Die erste Lady auf dem Horn

Auch einzelne Frauen kletterten auf Berge – entgegen der gesellschaftlichen Norm. Sie riskierten viel, auch wegen ihrer Garderobe: Dem Zeitgeist entsprechend kletterten sie im Flanell-Rock.

Sechs Jahre nach dem ersten Mann schaffte es die 34-jährige Britin Lucy Walker auf den Gipfel des Matterhorns.

eine schwarz-weiss Fotografie von adligen Menschen, eine Frau ist farbig markiert
Legende: Ein Jahr vor dem Triumph lässt sich die wohlhabende Familie Walker ablichten: Lucy (eingefärbt) steht neben befreundeten Bergführern. Keystone / Photopress / Bildmontage

Auch wenn Lucy Walker über Nacht berühmt wurde, blieben Gipfelstürmerinnen eine Seltenheit. Der Bergsport widerspiegelte die gesellschaftlichen Verhältnisse. So gründeten später Schweizer Bergsteigerinnen den Schweizerischen Frauen-Alpenclub SFAC, weil sie im offiziellen Schweizer Alpen-Club SAC unerwünscht waren.

1898: Die Technik erobert das Matterhorn

Ende des 19. Jahrhunderts griff das Bergbahnfieber um sich: Schweizer Ingenieure glaubten fast vorbehaltlos an die Technik.

Je tollkühner das Projekt, desto lukrativer die Einnahmen aus dem Tourismus. So wurde 1898 in Zermatt die Gornergratbahn eröffnet, die erste elektrische Zahnradbahn Europas. Sie eröffnete Besuchern einen spektakulären Blick aufs Matterhorn.

eine farbige Illustration eines kleinen Bahnhofs, mit Menschen, die aus dem Zug steigen. Im Hintergrund: Das Matterhorn
Legende: Zuvor dauerte der Aufstieg zum Gornergrat vier Stunden zu Pferd. Mit der neuen Gornergratbahn ging das schneller, deshalb nutzten mehr als 10'000 Gäste die Bahn in den ersten Monaten. Keystone / Photochrom-Gesellschaft

Es gab noch ambitioniertere Projekte: eine Matterhornbahn, die Touristen direkt unter den Gipfel hätte bringen sollen. Massiver Widerstand regte sich. Der Schweizer Heimatschutz und Einheimische forderten: «Hände weg vom Matterhorn!» Die Gipfel «unserer Alpen» seien «Eigentum des Schweizervolkes» und somit «unverkäuflich».

Spätestens seit diesem patriotisch angehauchten Protest wurde das Matterhorn als Symbol der Schweiz vermarktet, obwohl es auch auf italienischem Boden steht.

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Der Bau der Gornergratbahn
Aus Kultur Extras vom 22.09.2020.
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14. Juli 1965: 100 Jahre Erstbesteigung

Das Matterhorn wird seither immer wieder gefeiert. Vor allem, wenn sich dessen Erstbesteigung jährt. Zum 100. Jahrestag etwa produzierte das Schweizer Fernsehen 1965 eine aufwendige Live-Sendung.

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100 Jahre Erstbesteigung: Das Jubiläumsfest 1965
Aus Kultur Extras vom 22.09.2020.
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Anlässlich des 150. Jahrestags wurde der Berg gesperrt, um den Opfern der Erstbesteigung Respekt zu zollen. Es war einer der wenigen Tage, an denen niemand das Matterhorn bestieg. Mit der Erstbesteigung hat ein regelrechter Sturm aufs Matterhorn begonnen.

1970er-Jahre: Alle wollen sie aufs Matterhorn

An Spitzentagen im Sommer versuchen über 100 Kletterer das Matterhorn zu bezwingen. Die Gipfelaspiranten kommen aus aller Welt. In TV-Beiträgen der 1970er-Jahre ist von «Völkerwanderungen» aufs Horn die Rede.

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Ansturm aufs Matterhorn in den 70er-Jahren
Aus Kultur Extras vom 22.09.2020.
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2000er-Jahre: Das Matterhorn bröckelt

Das Matterhorn erlebt den Wandel der Zeit am eigenen Leib: Der Klimawandel setzt dem Prestigegipfel zu. Der Permafrost, der den Berg im Innern zusammenhält, taut auf. Der «Patient Matterhorn» wird instabiler, es kommt vermehrt zu gefährlichen Felsstürzen.

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Wie sich der Klimawandel aufs Matterhorn auswirkt
Aus Kultur Extras vom 22.09.2020.
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Etablierte Bergsteigerrouten könnten bald nicht mehr begehbar sein. Forscher und Wissenschaftlerinnen haben zahlreiche Messinstrumente am Matterhorn installiert. So hoffen sie, Felsstürze besser voraussagen zu können.

2013: Der Berg aus neuem Blickwinkel

Die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vereinen Alpinismus mit Weltraumforschung: Sie nutzen Satellitendaten, um hochauflösende Geländemodelle zu berechnen.

ein Foto des Matterhorns von oben, inklusive Modell des Geländes rund herum
Legende: Ein Satellit schoss beim Überflug über das Matterhorn drei Aufnahmen aus verschiedenen Weltraumperspektiven. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), entnommen aus «M4 Mountains – Die vierte Dimension»

Keine Fotokamera schafft diese Genauigkeit: Jede steil abfallende Wand, jeder Zacken im Grat und jede lawinengefährdete Passage sind zu erkennen. So können Bergsteiger mit 3-D-Brillen am Computer ihre Routen planen.

2020: Das Matterhorn erobert Instagram

Heute stehen sich Influencer zu Hunderten am Fuss des Matterhorns die Beine in den Bauch. Vom meistfotografierten Berg der Welt gibt es eine offizielle Karte mit vielversprechenden «Fotopoints».

Die fast perfekte Pyramidenform des 4478 Meter hohen Felsmassivs ist auch äusserst #instagrammable.

Auch zu Beginn der Corona-Pandemie schaute die Welt aufs Matterhorn. Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter projizierte die Flaggen der von der Pandemie betroffenen Staaten auf den Berg.

Das Matterhorn symbolisiere Kraft und Halt, liess die Gemeinde Zermatt verlauten. Man wolle Solidarität zeigen und Hoffnung stiften. Wenn ein Berg das kann, dann wohl das Matterhorn.

eine Deutschland Flagge wird aufs Matterhorn projiziert
Legende: Nebst der deutschen Nationalflagge wurden mehr als 20 andere ans Matterhorn projiziert. Light Art by Gerry Hofstetter / Foto Gabriel Perren

Staatsmänner wie Alain Berset, Narendra Modi und Sebastian Kurz und tausend andere Social-Media-User teilten die Bilder des beleuchteten Matterhorns.

So kristallisierten sich ein weiteres Mal die Sehnsüchte der Gesellschaft am ikonischen Nationalberg.

Sendung: SRF 1, Reporter, 30.09.2020, 21:00 Uhr

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