«Die Normen haben sich gelockert», sagt die Genderforscherin Christa Binswanger. «Trotzdem sehen wir, dass bei bei 75 Prozent der Familien die Frau die Hauptverantwortung für Kinder und Haushalt übernimmt.»
Das Bild erinnert an die 1950er-Jahre, das goldene Zeitalter der Kleinfamilie: Dank wachsendem Wohlstand reicht es nun, wenn die Männer arbeiten gehen. Aufgabe der Ehefrauen und Mütter ist es, das Haus sauber zu halten und für die Kinder zu sorgen. Für Selbstentfaltung fehlt ihnen der Raum.
Mit dem Wohlstand kam der Backlash
Dabei konnten Frauen noch in den 1940er-Jahren in andere Rollen schlüpfen. Sie mussten sogar. Wo die Männer während des Zweiten Weltkriegs fehlten, mussten die Frauen einspringen: in den Fabriken, auf den Bauernhöfen.
In typischen Männerberufen arbeiteten plötzlich auch Frauen. Doch mit dem Wohlstand kam der Backlash: «Man hatte das Gefühl, wenn man in die bürgerliche Kleinfamilie zurückkehrt, dann stabilisiert das alle», erklärt Geschlechterforscherin Binswanger.
Starre Strukturen in der Schweiz
Das enge Rollenkorsett konnten die Schweizerinnen und Schweizer erst in den späten 1960er-Jahren ablegen. Kurzes Haar bei Männern war plötzlich out – und das Ehegelübde nicht mehr so wichtig.
Auf die Rebellion der 68er folgte 1971 das Frauenstimmrecht und zehn Jahre später die Gleichstellung von Frau und Mann vor dem Gesetz.
Doch die Geschlechterrollen sind bis heute sehr verschieden. Grund dafür seien sehr starre Strukturen erklärt Genderforscherin Binswanger. Auch wenn die Zahl berufstätiger Mütter steigt und eine arbeitende Mutter nicht mehr Rabenmutter geschimpft wird.
Teilzeitarbeit bleibt ein Frauenphänomen
«Frauen reduzieren ihr Arbeitspensum im Schnitt auf etwa 30 Prozent», meint Christa Binswanger, «während die Väter bei 90 bis 100 Prozent bleiben.»
Für Väter, die trotzdem aktiv für ihre Kinder da sein wollen, heisst das: Sie erledigen die Care-Arbeit häufig zusätzlich zu einem hohen Arbeitspensum. Eine Doppelbelastung, die viele Frauen kennen. Und zwar schon länger.