Zwar ist Isabelle Chassot erst seit 100 Tagen Direktorin des Bundesamtes für Kultur (BAK), trotzdem hat man bei der Begegnung sofort das Gefühl, die ehemalige Freiburger Erziehungsdirektorin fühle sich in ihrer neuen Rolle pudelwohl. Aus der eidgenössischen Kunstsammlung zieren zwei grosse, abstrakte Bilder ihr Büro. Sie hat die Werke ausgewählt, weil sie moderne Kunst mag und in ihrer Originalität Inspiration sucht. Ihre Arbeit an der neuen Kulturbotschaft ist in vollem Gange.
Neue und leidenschaftliche Töne
«Wenn man mehr will, dann muss man auch bereit sein, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen», sagt Isabelle Chassot klipp und klar im Hinblick auf die Kulturbotschaft 2016–2019. Das sind neue, leidenschaftliche Töne, die in ihrem hellen Büro im BAK zu hören sind.
Isabelle Chassots Vorgänger, Jean-Frédéric Jauslin, hatte sich gescheut Klartext zu reden, hatte es verpasst, darauf aufmerksam zu machen, dass das Kulturfördergesetz dem BAK und der Kulturstiftung Pro Helvetia viele neue Aufgaben gab, ohne das nötige Geld bereitzustellen. «Ich bin mir sehr bewusst, dass die Pro Helvetia mehr Geld braucht», erklärt Chassot. Ebenso die neu eingeführte musikalische Bildung, in die der Bund bis jetzt eine halbe Million Franken steckt.
Neue Förderung für Literatur und Film
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Die neue BAK-Direktorin sieht auch Handlungsbedarf in der Literaturförderung: Der Austausch über die Sprachgrenzen müsse intensiviert werden, Verlage bräuchten Unterstützung und die Literaturkritik müsse gestärkt werden. Beim Film denkt Isabelle Chassot über ein neues Förderinstrument nach: Filme, die in der Schweiz gedreht werden, müssten speziell gefördert werden.
Zuhören und mitreden – für Isabelle Chassot sind das die Grundtugenden für eine konstruktive Zusammenarbeit. Und diese Zusammenarbeit sucht sie: das alte Konkurrenzdenken gegenüber der Kulturstiftung Pro Helvetia ist passé, unter anderem mit dem Schweizer Kunstverein führte sie Gespräche, sie lud den Kulturdachverband Suisse Culture ein und private Kulturförderer wie das Migros Kulturprozent, die Fondation Michalski oder Göhner Stiftung sind ihr wichtig.
Kunst ist kein Luxus
Für Isabelle Chassot sind Kunst und Kultur kein Luxus. Im Gegenteil: «Kultur hilft, den anderen besser zu verstehen», sagt die oberste Kulturchefin der Schweiz. Darum ist ihr der Zugang zur Kultur ein zentrales Anliegen. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen Kulturförderung und der Ausweitung der direkten Demokratie. Zugang zur Kultur bedeute auch Zugang zur Gesellschaft, ist Chassot überzeugt.
Wenn Studien belegen, dass 80 Prozent der Bevölkerung nur einmal pro Jahr ins Kino oder Theater gehen, ist Isabelle Chassot nicht enttäuscht, sondern sie erkennt dort den Ansatz, die Teilhabe an Kultur und Kunst noch intensiver zu fördern.
Sie stünde mit ihren neuen Aufgaben nicht «am Hang», erklärte die frisch gebackene BAK-Chefin in einer launigen Rede an den Solothurner Filmtagen. Alles im Griff also? Isabelle Chassot schmunzelt. «Ich hoffe, nicht alles im Griff zu haben. Ich finde es schön, den Griff zu verlieren, um sich dann die richtigen Fragen zu stellen.»