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Gesellschaft & Religion 200 Jahre Bismarck: Drei Bücher rütteln am eisernen Mythos

«Schmied der deutschen Einheit», «eiserner Kanzler», «Sozialistenfresser»: Kaum eine historische Figur wird derart kontrovers beurteilt wie der preussische Politiker Otto von Bismarck – auch heute noch. Drei Neuerscheinungen zeigen seine Persönlichkeit und sein Wirken auf unterschiedliche Weise.

Bismarck war ein durch und durch Konservativer. Als glühender Monarchist verachtete er die liberale 1848er-Revolution ebenso wie die Forderungen der Sozialisten nach politischer Mitbestimmung und Gleichberechtigung. Bismarck war der Meinung, die Fragen der Zeit liessen sich nicht durch Mehrheitsbeschlüsse entscheiden, sondern durch «Eisen und Blut».

Bismarck war ab 1862 unter dem König Wilhelm I. Ministerpräsident Preussens. Nach der deutschen Einigung 1871 hatte er das Amt des Kanzlers des Deutschen Reichs inne und bestimmte in dieser Funktion wesentlich die politischen Geschicke des jungen Staats.

Vor 200 Jahren, am 1. April 1815, wurde Otto von Bismarck geboren. Drei neue Buchpublikationen werfen unterschiedliche Lichter auf die umstrittene Figur.

1. Bismarck als Normalsterblicher

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Christoph Nonn: «Bismarck. Ein Preusse und sein Jahrhundert», C.H. Beck, 2015.

Christoph Nonn, ein in Düsseldorf lehrender Professor für neueste Geschichte, scheint mit seiner wohlformulierten und kenntnisreichen Monografie über Bismarck vor allem ein Ziel zu verfolgen: den bisweilen als Magier und Giganten verklärten Bismarck vom Sockel zu holen und ihn als Normalsterblichen zu präsentieren.

Bismarck sei als Politiker «leidlich erfolgreich» gewesen, schreibt Nonn, es seien ihm jedoch auch «zahlreiche Fehler» unterlaufen. So sei Bismarck etwa mit seinem Plan kläglich gescheitert, den Sozialismus einzudämmen. Auch das bisweilen geradezu als genial gepriesene Bündnissystem Bismarcks habe sich bis zu dessen Amtsende 1890 als wenig tragfähig erwiesen. Nonn widmet seine Biografie «allen, die unter den Bismarcks dieser Welt gelitten haben und leiden».

2. Bismarck ohne Schminke

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Norbert F. Pötzl: «Bismarck. Der Wille zur Macht», Popyläen 2015.

Der 66-jährige ehemalige «Spiegel»-Journalist Norbert F. Pötzl nähert sich in sechs Essays dem legendären Kanzler an. Er tut dies mit dem Anspruch, eine Schneise «durch das Dickicht der Bismarck-Historiografie» zu schlagen. Dies gelingt Pötzl zumindest teilweise, stellt er etwa gut verständlich die siegreiche Auseinandersetzung Preussens mit Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland dar.

Ungeschminkt schildert Pötzl auch die Misserfolge des Staatsmannes – etwa den in einem politischen Fiasko endenden Kulturkampf gegen den Katholizismus. Besonders erhellend sind die Ausführungen über den Mythos von Bismarck als politisches Genie, der sich in den Köpfen festsetzte und zum Aufstieg Hitlers beitrug.

3. Bismarck, der Masslose

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Tilman Mayer (H.): «Bismarck, der Monolith. Reflexionen am Beginn des 21. Jahrhunderts», Osburg Verlag 2015.

Tilman Mayer, ein an der Universität Bonn lehrender Politologe, legt eine Sammlung von Aufsätzen verschiedener Autoren vor, die unterschiedliche Schlaglichter auf Bismarck werfen. Das ist durchaus interessant: So schreibt etwa der ehemalige amerikanische Aussenminister Henry Kissinger in einem der Beiträge, dass alles an Bismarck «masslos» gewesen sei – «seine Köpergrösse, sein Appetit, seine Liebe und vor allem sein Hass».

Der Historiker Hans-Peter Schwarz setzt den «Schmied der Einheit» von 1871 in Bezug zu Helmut Kohl, dem Kanzler zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung nach 1989. Beide Persönlichkeiten, schreibt Schwarz, hätten Vergleichbares zu Stande gebracht – «Einzigartiges und so nicht Erwartetes».

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 31.3.2015, 17:40 Uhr

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