Vor 150 Jahren wurde Abraham Lincoln ermordet – in demselben Jahr, in dem Bürgerkrieg und Sklaverei beendet wurden. In den USA wird der Republikaner deshalb verehrt wie ein Heiliger.
Seit dem Erscheinen des Buches «Lincoln and the Power of the Press» gilt er nun auch als Genie im Umgang mit Journalisten. Mit dem Satz «Die öffentliche Meinung ist alles» machte der Präsident seine Überzeugung deutlich, dass Zeitungsmacher als Meinungsmacher im Blick behalten werden müssen.
Er verstand sich auf Macht-Ränkeleien
Die Zeitungen waren damals mächtig, es gab über 4000 und sie waren die einzige Verbindung der Politiker zum Volk. «Wie kein anderer Präsident manipulierte Abraham Lincoln deshalb die Presse», sagt Harold Holzer, der Autor des Buches «Lincoln and the Power of the Press».
700'000 Tote lagen während des Bürgerkriegs auf den Schlachtfeldern. Lincoln konnte sich trotzdem die Loyalität des Volkes erhalten – der geschickten Beeinflussung der Medien sei Dank. Ihm wohlgesinnte Zeitungen waren sein Sprachrohr. Zudem verstand er sich auch auf Macht-Ränkeleien und spielte Journalisten gegeneinander aus. Wer in seinem Sinn schrieb, dem steckte er Neuigkeiten zu. Das war für die Presse entscheidend in dieser Zeit, in der das Weisse Haus noch keine Medienstelle hatte, die alle Journalisten mit denselben Informationen versorgte.
Ausserdem zeigte sich Präsident Lincoln erkenntlich, indem er «braven» Journalisten angesehene Positionen in seiner Regierung verschaffte: Er machte sie zu Senatssekretären oder Postmeistern.
Er umgarnte seine Gegner
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Chefredaktoren, die gegen seine Politik oder seine Kriegsführung schrieben, bearbeitete er persönlich mit seinem rustikalen Charme – und machte manch einen Skeptiker zu seinem Befürworter.
Der stille Denker mit dem hohen schwarzen Zylinder konnte aber auch durchgreifen. Dabei blieb er selbst meist im Hintergrund, er liess seinen Staatsapparat handeln. Gerichte klagten Zeitungen an, demokratische Redaktoren kamen ins Gefängnis und die Post weigerte sich, die abonnierten Zeitungen auszutragen.«Die Regierungsbehörden schlossen sogar Zeitungsredaktionen», sagt Harold Holzer.
Umstrittenes Dokument zur Sklaven-Befreiung
Umstritten war auch Abraham Lincolns Dokument zur Befreiung der Sklaven in den Südstaaten – aus heutiger Perspektive sein wichtigstes Vermächtnis. Dank der Presse gelang es ihm, die «Emancipation proclamation» bei seinen Landsleuten durchzubringen. Ein Journalist riet ihm, das Befreiungswerk als «rein militärische Massnahme» zu verkaufen. Als es Ende 1865 landesweit gültig wurde, war der Befreier bereits tot. Ein rassistischer Schauspieler hatte Abraham Lincoln in dessen Theaterloge erschossen.
Kein anderer Präsident – ausser vielleicht John F. Kennedy – beschäftigt die USA mehr als Abraham Lincoln. Nach dem gewaltsamen Tod liess die geschockte Nation eine allzu kritische Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Wirken nicht zu – ähnlich wie es lange Zeit auch bei John F. Kennedy der Fall war.
Dass der sanfte Abe, wie er mit Spitznamen heisst, seine Macht einsetzte, um Journalisten zu manipulieren, überrascht viele. Er wird deswegen aber keinen Zentimeter vom hohen, schneeweissen Marmorsockel seines Denkmals im Herzen der Hauptstadt gestossen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 2.6.2015, 7.15 Uhr