- Den beiden «SZ»-Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier wurden 11.5 Millionen Dokumente zugespielt, die 214‘000 Briefkastenfirmen betreffen.
- Um die Datenmenge zu bewältigen, schalten sie das «International Consortium of Investigative Journalists» in Washington ein.
- 400 Journalisten arbeiten in 70 Ländern gleichzeitig daran, die «Panama Papers» zu sichten – unter grösster Geheimhaltung.
Der Name ist ein Scherz. In englischsprachigen Ländern wird «John Doe» für Personen verwendet, deren Identität in Gerichtsakten geheim bleiben soll. Und für unbekannte Tote. Ein unbekannter Lebender bot dem Journalisten geheime Daten an. Ein Traum, denn «man sucht oft wochenlang nach einer bestimmten Quelle», heisst es im Buch, das Bastian Obermayer und Frederik Obermaier über die «Panama Papers» verfasst haben.
Aber Daten sind auch ein Risiko: Will die Quelle die Journalisten für ihre Zwecke instrumentalisieren? Sind die Daten echt? Welche Konsequenzen wird es haben, wenn die Daten aufgearbeitet und veröffentlicht sind?
Stich ins Wespennest
Die Quelle beharrt strikte auf ihrer Anonymität: «Mein Leben ist in Gefahr, wenn meine Identität offengelegt wird. Wir werden verschlüsselt kommunizieren. Es wird kein Treffen geben», schreibt sie in einer E-Mail. Und, ein gutes Zeichen, finden Obermayer und Obermaier: «Die Quelle fragt nicht nach Geld.»
Dann erhalten sie Proben der Daten, PDF-Dokumente. Gründungsunterlagen von Firmen, Verträge und Datenbankauszüge. Zuerst ein Fall mit Schauplatz Argentinien. Zwielichtige Geschäftsleute hätten dem damaligen Präsidentenpaar geholfen, über 123 Briefkastenfirmen «rund 65 Millionen Dollar Staatsgelder ausser Landes zu bringen». Die Dokumente stammen aus einer Kanzlei in Panama: Mossack Fonseca. Die nächste Datenprobe hat mit Russland zu tun.
Daten über Daten
Paket um Paket treffen die Daten bei den Journalisten sein. Am Ende werden es 2.6 Terabyte sein, 11.5 Millionen Dokumente, die 214‘000 Briefkastenfirmen betreffen. Eine Datenmenge, die für eine Redaktion nicht zu bewältigen ist – wäre sie personell noch so gut ausgestattet.
Obermayer und Obermaier wenden sich ans «International Consortium of Investigative Journalists» (ICIJ) in Washington, ein globales Netzwerk investigativer Journalisten. Die Arbeit wird organisiert, die Auswertung der Daten nach Ländern aufgeteilt. Schliesslich arbeiten rund 400 Journalisten in 70 Ländern daran, die Informationen der «Panama Papers» zu sichten, zu verstehen und in Geschichten zu übersetzen. Der Veröffentlichungstermin wird von langer Hand vorbereitet und auf den Abend des 3. April 2016 festgelegt.
Obermayer und Obermaier berichten, wie sie die Informationen verifizieren: durch eigene Recherchen, Abgleichen mit Informationen aus anderen, kleineren Datenlecks und durch US-Gerichtsakten, die online abrufbar sind.
Zu schwacher Computer
Im Buch schildern die beiden Journalisten auch die technischen Tücken bei der Auswertung des Datenberges. Die Leistung ihres Rechners genügt nicht, ein taugliches Programm zur Durchsuchung der PDFs muss gefunden werden. Und die Geheimhaltung: Niemand darf mitbekommen, woran sie arbeiten.
Sie beziehen im Gebäude der «Süddeutschen Zeitung» einen eigenen, verschlossenen und nicht einsehbaren Raum. Elektronisch kommunizieren sie nur verschlüsselt. Das Riesendatenpaket legen sie auf einen Computer, der noch nie am Netz war und demzufolge nicht mit Trojanern infiziert sein kann. Und 400 Journalistinnen und Journalisten halten ein Jahr lang dicht.
Strenge Geheimhaltung notwendig
Die Vorsicht war gross. Sie wird es bleiben müssen, denn die plötzliche Transparenz bedroht die Interessen wirtschaftlich und politisch mächtiger Personen. Und zahlreiche Menschen, die an den «Panama Papers» beteiligt sind, schweben in Gefahr: die Quelle und Journalisten in nichtdemokratischen Staaten, die aufdecken, wie ihre Elite das Land plündert, Bestechungsgelder versteckt, Geld wäscht oder ganz einfach den Fiskus um legitime Einnahmen betrügt.
Das Buch zu den «Panama Papers» ist ein lesenswerter Werkstattbericht. Er lässt erahnen, dass bisher höchstens die Spitze des Eisbergs sichtbar ist. Denn Mossack Fonseca ist nicht die einzige Kanzlei, die Briefkastenfirmen errichtet.