- 100 der 500 Migrantinnen und Migranten in Como seien unbegleitete Minderjährige, schätzt eine Tessiner NGO.
- Zwei Drittel der Gestrandeten möchten nach Deutschland oder Nordeuropa weiterreisen.
- Das Vorgehen des Schweizer Grenzwachkorps wird dafür kritisiert, Menschen, die in der Schweiz Asyl beantragen, trotzdem zurückzuschicken.
- Gewitter und Regen könnten die humanitäre Lage in Como verschlechtern.
Schlechte Nachrichten verunsichern
Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet: Im norditalienischen Ventimiglia wurden vergangene Woche 48 sudanesische Migranten aufgegriffen und mit einem Flugzeug nach Karthoum geschafft. Innert weniger Stunden sank die Zahl der Migranten, die rund um den Bahnhof Como campieren.
Auch von der Schweizer Grenze sind die Nachrichten für die Gestrandeten schlecht: Zwei Drittel der Migranten wurden beim Versuch zur Einreise in die Schweiz zurückgewiesen.
Durchreiseland Schweiz
Rund 500 Menschen warten in Como auf eine Weiterreise. 100 davon seien unbegleitete Minderjährige. Für zwei Drittel der Gestrandeten liege das Reiseziel in Nordeuropa und in Deutschland. Ein Drittel möchte ein Asylgesuch stellen in der Schweiz.
Das schätzt Lisa Bosia von der Tessiner NGO Firdaus, die von Anfang an in Como Freiwilligenhilfe geleistet hat: Da wird Mittagessen verteilt, Hygieneartikel und Kleider werden abgegeben. Es wird informiert über die juristische Situation im Asylland Schweiz. Es ist die Zivilgesellschaft, die den Gestrandeten in Como hilft. Staatliche Institutionen spielen kaum eine Rolle.
Minderjährige sind besonders geschützt
Das Schweizerische Grenzwachtkorps (GWK) steht in der Kritik: In Chiasso würden auch Menschen zurückgewiesen, die in der Schweiz ausdrücklich um Asyl gebeten hätten, auch Minderjährige, die unter besonderem Schutz stehen und Menschen, die zu Verwandten in der Schweiz stossen wollen.
Anja Klug ist die Schweiz-Sprecherin beim UNHCR. Dem Radio der italienischsprachigen Schweiz hat sie erklärt: «Die allermeisten Menschen haben uns erklärt, dass sie nicht in die Schweiz wollen, dass sie in der Schweiz kein Asylgesuch stellen möchten. Es gab aber auch einige Personen, die uns berichtet haben, sie hätten einen Asylantrag gestellt, aber das habe nicht funktioniert. Darunter gab es auch einige unbegleitete Minderjährige. Wir können die Aussagen so nicht überprüfen.»
Fehler ausgeschlossen
Nach wochenlangem Schweigen hat Mauro Antonini, Kommandant der in Chiasso zuständigen Region IV im Grenzwachtkorps, Stellung genommen. Sobald ein Ausländer Asyl verlange, werde der Antrag mit dem regulären Asylverfahren bearbeitet. Das sei genau geregelt. Hier schliesse er Fehler praktisch aus.
Unbegleitete Minderjährige, die in der Schweiz kein Asyl verlangten, würden der italienischen Grenzpolizei übergeben. Ihre Aufgabe sei es, diese Menschen weiter zu betreuen. Bei Familienzusammenführungen würden jedoch immer wieder falsche Angaben gemacht.
Jetzt kommt das schlechte Wetter
Gut 30 namentlich bekannte kritische Fälle aus einem Dossier einer NGO seien überprüft worden. Antoninis Fazit: Die Kritik sei unberechtigt. Das GWK habe festgestellt, dass die Angaben die die Einreisenden gemacht hätten vor dem GWK und gegenüber einer NGO erheblich voneinander abwichen.
Die NGOs haben die Dokumentation mit ihrer Kritik noch nicht öffentlich gemacht. So steht weiter Aussage gegen Aussage.
Während Wochen herrschte im Flüchtlingscamp in Como schönes und fast immer trockenes Wetter. Nun werden Gewitter und Regenschauer prognostiziert. Die versprochenen Container für 300 Menschen sind in Como noch nicht bereit. Die humanitäre Lage in Como kann sich zuspitzen.