Der Name könnte symbolischer nicht sein: Auf der «MS Europa» arbeitet Moses Kigozi in der «Kalten Küche». Während der Touristendampfer von Luzern nach Flüelen fährt, an der Tellsplatte vorbei, bereitet er lokale Spezialitäten zu.
Die Rezepte klingen noch immer fremd in seinen Ohren – beim Wort «Innerschwyz-Salat» gerät Moses Kigozi ins Stocken, bis er in Gelächter ausbricht. Er müsse sich, erzählt er, die Zutaten immer in seinem Notebook mitschreiben, damit er sie abends auswendig lernen kann.
Drohungen nach Regierungskritik
Um jeden Preis will er seinen ersten bezahlten Job in der Schweiz gut machen, damit er unabhängig von der Sozialhilfe werden und sein frisch begonnenes Wirtschaftsstudium fortführen kann. Der frühere Journalist hat harte Jahre hinter sich. Er arbeitete bei einem privaten Radiosender in der ugandischen Hauptstadt Kampala, eckte jedoch mit kritischen Berichten bei der Regierung an.
«Uganda gibt sich demokratisch, doch es gibt keinen Raum für Opposition in den Medien», sagt Moses Kigozi. Zum Verhängnis wurde ihm sein Engagement für sexuelle Minderheiten, die in Uganda verfemt sind. Obwohl homosexuelle Handlungen strafbar sind, rief der Journalist eine Sendung zur Unterstützung der Rechte von Homosexuellen ins Leben. Daraufhin bekam er Drohungen, und nachdem eine Zeitung einen diffamierenden Artikel veröffentlichte, beschloss er, das Land zu verlassen.
Warten als psychische Tortur
Moses Kigozi floh 2011 über Kenia in die Schweiz. Sein Asylantrag wurde zunächst abgelehnt. Erst nach einem Rekurs wurde er 2014 als Flüchtling anerkannt und vorläufig aufgenommen. Die drei Jahre des Wartens, ohne die Sprache lernen oder arbeiten zu können, erlebte er als psychische Tortur. «Ich fühlte mich wie begraben in der Schweiz», erzählt er im Rückblick.
Nach allem, was er in Uganda durchlebt hatte, war die Ungewissheit schwer auszuhalten. Zeitweise war er sich so deprimiert, dass er psychologische Hilfe brauchte. «Mit einem N-Ausweis bekommst Du niemals einen Job in der Schweiz», sagt Moses Kigozi. «Selbst mit einem F-Ausweis ist es sehr schwierig. Denn die Arbeitgeber vertrauen nicht darauf, dass man bleiben kann.»
Unabhängigkeit als grösster Wunsch
Als Moses Kigozi die Möglichkeit bekam, einen einjährigen gastronomischen Grundkurs zu besuchen, ergriff er die Chance mit beiden Händen – auch wenn es für den leidenschaftlichen Journalisten schwer war, seinen Beruf, und damit seinen Lebenstraum, hinter sich zu lassen.
Natürlich kostete es Überwindung, erzählt er, wieder ganz von vorne zu beginnen, mit einem Praktikum als Tellerwäscher in einem Hotel. Doch jetzt ist er glücklich über seine neue Stelle in der Schiffsküche, weil er dadurch der finanziellen Unabhängigkeit ein Stück näher rückt. Noch arbeitet Kigozi in Teilzeit, da er an der Universität Luzern ein Wirtschaftsstudium begonnen hat, mit dem Ziel: «Ich möchte eines Tages Steuern zahlen können, um auf diesem Weg dem Staat zurückzugeben, was er in mich investiert hat.»
Was er an seiner Arbeit am meisten mag, ist der tägliche Austausch mit Leuten und das Gefühl, ins Schweizer Gesellschaftssystem integriert zu sein. Arbeiten zu können, sagt Moses Kigozi, ist das Wichtigste für Flüchtlinge: «Es bedeutet, aus der Abhängigkeit rauszukommen und das Leben wieder selbst in der Hand zu haben.»