Wenn Werner Bätzing auf die neuste touristische Idee in Vals angesprochen wird – auf den 380 Meter hohen, nadeldünnen Turm für gut betuchte Touristen, dann redet der deutsche Alpenforscher Klartext: «Schwachsinn. Das ist die Verstädterung der Alpen. Dann verlieren Die Alpen was die Alpen ausmacht.»
Monokultur zerstört die Alpen
So ein Hochhaus – aber auch spektakuläre Plattformen oder Hängebrücken – bedienten bloss einen Wow-Effekt: schnelllebig, ohne Wirkung, so dass der Gast nur nach neuen Überraschungen lechze. Die Folge, so Werner Bätzing: Ein Erlebnis-Burnout. Denn wenn die Alpen versuchen, städtischen Lebens- und Wirtschaftsmodellen nachzueifern, dann sähe die Zukunft düster aus.
Konkret bedeutet das: Am Schluss sind nur noch die Talböden besiedelt und in einer Höhe von über 1000 Meter gibt es nach Bätzings Prognosen im gesamten Alpenbogen dann 300 gigantische Tourismusorte – Monokultur quasi – der Rest verwildert und verbuscht.
Von den Alpen lernen
Ein Europa ohne die Alpen als lebendigen Lebens-, Wirtschafts- und Kulturraum – für Werner Bätzing eine furchtbare Vorstellung. Denn dann ginge die Arten-Vielfalt verloren, die das Resultat einer traditionellen und nachhaltigen Landwirtschaft ist.
Und noch mehr: Auch wertvolle Erfahrungen im Umgang mit der Natur gingen verloren, so Bätzing. Nämlich wie man Natur tiefgreifend verändern könnte, ohne sie zu zerstören. Und genau dieses Wissen bräuchte Europa, um seine Umweltprobleme anzugehen. Denn für Bätzing sind die Alpen eine Art Frühwarnsystem. Etwas überspitzt gesagt: Das was man dieses Jahr falsch mache, zeige sich im kommenden Jahr als Naturkatastrophe.
Düsteres Bild der Alpen-Zukunft
In seiner Streitschrift zur Zukunft der Alpen entwirft Werner Bätzing ein düsteres Bild – und er schreibt klipp und klar, dass sich die Situation der Alpen in den letzten 30 Jahren massiv verschlechtert habe. Für eine Trendwende brauche es viel. Vor allem viel Verstand.
Den Naturpärken kann Bätzing viel abgewinnen – in ihnen liege ein Stück Zukunft. So liessen sich unpassende Grossstrukturen verhindern, von denen die Einheimischen wenig hätten. Beispielsweise Andermatt: Durch das Luxushotel-Projekt würden die Lebenshaltungskosten wahrscheinlich zu hoch für die Bewohner, vermutet der Alpenforscher.
Wer Bätzings Streitschrift liest, wird wach gerüttelt. Hier hat einer einen aufmüpfigen und leidenschaftlichen Stil gewählt und hier hat einer sein immenses Wissen radikal und aussagekräftig eingedampft. Eine Lektüre mit grossem Erkenntnisgewinn.