Für die Reformierten gibt es keine Heiligen. Die reformierte Pfarrerin Pascale Huber begründet das so: «Die Heiligen stellen immer eine Form des Dazwischen, eine Mittelbarkeit dar. Aber in der Reformierten Kirche gibt es eine direkte, unmittelbare Verbindung zwischen Gott und dem Menschen. Das führt dazu, dass wir keine Heiligen brauchen.»
Dass die Reformierten nicht zu Heiligen beten, hängt vor allem mit ihrem Bibelverständnis zusammen: «Die Bibel gilt als Basis. Wichtig ist allein die Auslegung der Heiligen Schrift, nicht irgendwelche historischen Figuren. Heilig ist nur die Bibel. Alles geht auf sie zurück.» Und in der Bibel steht: «Denn nur einen Gott gibt es und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen Jesus Christus» (1.Tim. 2,5). Für die Reformierten ist klar: Jesus Christus ist der einzige Vermittler zwischen Gott und Mensch. Folglich wird zu keiner anderen Person gebetet, meint Huber.
«Die Reformierte Kirche ist demokratisch»
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum es keine Heiligen in der Reformierten Kirche gibt: «Es geht darum, dass es keine Hierarchie unter den Menschen geben soll», meint Huber. «Es gibt nicht die Heiligen auf der einen und die Übrigen auf der anderen Seite. Das Gleiche gilt für den Papst. Die Reformierte Kirche in der Schweiz ist demokratisch organisiert und nicht hierarchisch. Sie hat kein Oberhaupt.» Und da jede Heiligsprechung vom Papst abgesegnet werden muss, ist es rein technisch gar nicht möglich, dass es bei den Reformierten Heilige gibt.
«Der Glaube an Heilige hat etwas Kindliches»
Dass man als gläubige Person zu einem Heiligen betet, empfindet Pascale Huber als eher kindliches Verhalten: «Als Reformierte gehe ich von einem mündigen Menschen aus. Wer reformierter Christ ist, gelangt direkt zu Gott. Mündige Menschen brauchen keinen Mittler. Als Kind habe ich zwar manchmal Heiligenbildchen, wie sie meine katholische Freundin von ihrer Grossmutter bekam, vermisst, aber jetzt als erwachsene Person ist mir sehr wohl ohne.»
Historisch betrachtet ist es für Huber aber nachvollziehbar, dass die früheren Märtyrer als Heilige verehrt wurden: «Sie waren durchaus eine Hilfe für die Menschen, um einen Zugang zu Gott zu finden. Aber es ist ein Umweg», so die reformierte Pfarrerin.
Keine Marienverehrung
Als Umweg gilt den Reformierten auch die Marienverehrung. Wenn es keine Heiligen neben Jesus Christus gibt, wird auch Maria nicht als Heilige angesehen. «Eine Verehrung der Maria kennen die Reformierten nicht. Sie ist eine besondere Frau, weil sie Jesus geboren hat, aber das macht sie nicht zu einer Heiligen. Die Reformierten beten nicht zu Maria. Das wäre unvorstellbar», erklärt Huber.
Modernes Denken
«Keine Bilder, keine Statuen und keine Heiligen zu haben, hat etwas Modernes», meint Huber. Sie spricht von einer «Konzentration auf das Wesentliche, bei uns Reformierten auf das Wort, mit möglichst wenig Ablenkung». Gerade in der heutigen Zeit sei das ein grosses Thema, da wir ständig durch die Massenmedien abgelenkt seien und uns nicht mehr konzentrieren könnten. Die Kritik an der Medialität der Heiligen ist somit zugleich eine Kritik am massenmedialen Konsum.
Wenn die Reformierten am kommenden Sonntag, den 27. April 2014, den Fernseher einschalten und die Heiligsprechungen mitverfolgen, «dann wohl eher aus der Ferne», meint Pascale Huber.