Eigentlich hätte das Buch erst im Februar erscheinen sollen. Aber dann, am 15. Dezember, fielen sich zwei Männer in einer Talkshow von SRF gegenseitig ins Wort. Der Aufschrei, der auf die Sendung folgte, machte dem Schweizer Offizin-Verlag klar: Das Buch muss raus, sobald wie möglich.
Andreas Thiels Vordenker
Andreas Thiel berief sich im Duell mit Roger Schawinski immer wieder auf Aussagen eines «Orientalistik-Professors», auf den Altphilologen und Philosophen Manfred Schlapp.
Koran-Erklärer haben Hochkonjunktur: Alle wollen verstehen, was in Syrien, Irak und vor allem jüngst in Paris geschehen ist. Manfred Schlapp (der kein Professor ist), hat sich intensiv mit «Koran-Arabisch» befasst. Sein Buch «Islam heisst nicht Salam» (zu deutsch: Islam heisst nicht Frieden) ist ein schillerndes Lesebuch; in 170 kurzen, flockig geschriebenen Essays enthüllt der Autor ein ambivalentes Verhältnis zum Islam.
Charmante Miniaturen über die Hochblüte des Islam
In einem lockeren Ritt durch die Geschichte des Islams zeichnet Schlapp die Kriegs- und Eroberungsfeldzüge der Muslime in groben Zügen und kurzen Kapiteln nach. Blutige Geschichten. Doch Schlapp würdigt auch die Verdienste und den muslimischen Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Er erzählt aus der Blütezeit des Islam, von Cordoba über Damaskus bis Bagdad und schwärmt von islamischen Universalgelehrten. Er erlaubt sich kühne Sprünge vom Einen zum Anderen, verzettelt sich hie und da, streut charmante Miniaturen aus der Geschichte islamischer Wissenschaft und Kultur.
Doch sein Hauptinteresse gilt der Ideengeschichte des Koran und der Philologie, den «Wortspielen, poetischen Wendungen und kunstvollen Formulierungen». In amüsanter Weise leitet er zum Beispiel die Herkunft von Wörtern wie «Alkohol» ab oder beschreibt die Erfindung der mathematischen Ziffer «Null». Für ihn ist der Koran ein «unerschöpfliches Bergwerk, in dem zu schürfen immer wieder ein Vergnügen ist».
Die dunklen Seiten des Islam
Doch die Gewalt sei dem Koran inhärent, sagt er im Interview am 13. Januar mit der «Sternstunden»-Redaktion. Drei Verben seien es, die den Koran «wie ein Mantra» durchzögen. Er zitiert jene sattsam bekannten Fluchverse und Suren, die zum Mord an Ungläubigen aufrufen und jene Qualen beschreiben, welche Unzüchtige und vom rechten Glauben Abgefallene erwarten. Auch Höllenvorstellungen und die Frauenbilder im Koran sind für ihn Teil der «dunklen Seiten des Islam».
In der aktuellen «Sternstunde Religion» kritisiert die Islawissenschaftlerin Rifa’at Lenzin diese Aussagen als grosse Vereinfachung. Sie bezeichnet Schlapps Umgang mit dem Koran als fundamentalistisch.
Nicht vor dem Karren der Pegida
Ob er die Gefahr einer Islamisierung des Abendlandes sehe? Manfred Schlapp reagiert entrüstet und sagt: «Ich warne nicht, ich weise darauf hin.» Aber wenig später bezeichnet er die Islamisierung des Abendlandes als ein Gespenst. Er lässt sich also nicht vor den Karren von Pegida spannen. Doch er wolle auf die Gefahr und die Sorgen der Menschen aufmerksam machen. Man solle diese Sorgen ernst nehmen.
Die Formel «Sorgen ernstnehmen» klingt derzeit in vielen politische Reden von links bis rechts. Was heisst das genau? Die Antworten sind mindestens so disparat wie die Interpretationen des Koran.