Alljährlich zu den Gedenktagen am 6. und 9. August geht von Hiroshima und Nagasaki eine Friedensbotschaft an die Welt, mit dem Appell zur Abschaffung aller Atomwaffen und einem «Nie Wieder». Frieden wird grossgeschrieben – und mutet dennoch häufig wie ein reines Lippenbekenntnis an.
1949 wurde Hiroshima zur «Friedens- und Gedenkstadt» deklariert. Längst ist es wieder eine blühende Stadt. In Hiroshima hat einer der wichtigsten Industriekonzerne Japans seinen Standort: Mitsubishi (der auch Atomkraftwerke baut). Das Vergnügungsviertel der Stadt mit hunderten Restaurants und Bars gehört zu den lebendigsten in Japan. Die Erinnerung an den Atombombenabwurf wird im Peace Memorial Museum und dem Friedenspark mit seinen vielen Monumenten wachgehalten. Dort tummeln sich vor allem Touristen aus aller Welt.
Vakuum-Jahre
Vom Slum, in dem die Opfer nach dem 6. August 1945 jahrelang dahinvegetierten, ist in Hiroshima heute nichts mehr zu sehen oder zu lesen. Der Slum wurde Anfang der 1970er-Jahre geräumt, um dem Friedenspark Platz zu machen. Totgeschwiegen wird auch, dass die Hibakusha – die Überlebenden der beiden Atombomben – bis Anfang der 1960er-Jahre ohne offizielle Unterstützung ihrem Schicksal überlassen wurden; dass sie und ihre Nachkommen zum Teil bis heute diskriminiert werden. Atombombenopfer hatten etwa kaum Chancen zu heiraten. Die Jahre zwischen 1945 und dem Ende der amerikanischen Zensur gelten als «Vakuum-Jahre» – bis heute ist kaum erforscht, wie die Atombombenopfer überlebten.
Eine Entschuldigung wird es nie geben
Während der amerikanischen Besatzung Japans bis 1952 galt ein Publikationsverbot über die Atombomben. Die Menschen wussten lange Zeit nichts über die Art der Bomben. Unterstützung von den USA erhielten sie nicht, im Gegenteil: Die Opfer wurden zum Teil unter Zwang in die amerikanische Atomic Bombs Casualty Commission (ABCC) gebracht. Die Einrichtung diente lediglich der Erforschung der Folgen der Atombomben, nicht aber medizinischer Hilfe.
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Das Bombardement der beiden Städte und ihrer Zivilbevölkerung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit; wurde jedoch nie als solches geahndet. 70 Jahre nach den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki warten die Opfer vergeblich auf eine Entschuldigung der USA. Das Durchschnittsalter der Hibakusha ist heute 77 Jahre alt. Doch eine solche Geste würde die Rechtfertigung Washingtons für den Einsatz der Bomben in Frage stellen.
Die Frage nach dem «Warum»
«Wir haben sie eingesetzt, um die Agonie des Krieges zu verkürzen, das Leben von abertausenden jungen Amerikanern bei einer Invasion Japans zu retten und die Kapitulation herbeizuführen», so die Begründung von US-Präsident Harry Truman, der den Einsatzbefehl gab. Diese Legitimierung wird bis heute im offiziellen Amerika – etwa in den Schulbüchern – aufrechterhalten.
Andere Deutungen besagen, dass die Atombomben vielmehr der erste Schlag im Kalten Krieg waren – eine Drohung in Richtung Sowjetunion, mit der die Teilung Japans in einen amerikanischen und einen sowjetischen Block verhindert wurde. Das atomare Wettrüsten, das unmittelbar nach Hiroshima und Nagasaki eingesetzt hat, bestätigt diese These.
Verdrängung der eigenen Kriegsverbrechen
In Japan trugen die Atombomben zur Verdrängung der eigenen Tätergeschichte und zur Schaffung einer Opferthese bei. Bis heute tut sich Japan schwer mit der Aufarbeitung der Gräueltaten, die es bei der Eroberung der asiatischen Nachbarländer ab 1931 verübt hat.