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Gesellschaft & Religion Dorothee Sölle, eine Prophetin unserer Zeit

Vor zehn Jahren, am 27. April 2003, verstarb die Theologin und Pazifistin Dorothee Sölle im Alter von 73 Jahren. Nach ihrem Tod hinterliess sie ein unvollendetes Buch, die «Mystik des Todes»: Obwohl unvollendet, ist doch eine Art Vermächtnis daraus geworden.

Als wir die streitbare Professorin noch im Februar jenes Jahres 2003 in ihrem Haus in Hamburg für ein Radiogespräch besuchten, wollte sie mit uns über den Tod reden, der das Thema ihres neusten Buchs werden sollte. Sie war damals weltweit die meistgelesene theologische Schriftstellerin, und zu ihren wichtigen, auch in der Schweiz schon fast verehrten Werken gehörte «Mystik und Widerstand».

Audio
Dorothee Sölle über die gegenseitige Liebe zu Gott und die Verbrechen in der Nazi-Zeit
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Unvollendetes Vermächtnis

In diesem Band war Sölle nicht dazu gekommen, ein Kapitel über den Tod zu schreiben. Deshalb schrieb sie jetzt, kurz vor dem eigenen Tod, an einer «Mystik des Todes». Das Buch blieb unvollendet und ist doch eine Art Vermächtnis geworden.

Damals im Februar 2003, beim letzten Radiogespräch, das die Pazifistin und Mystikerin gab, erregte sie sich über den damals bevorstehenden Irakkrieg und über die Globalisierung auf. Es ging ihr dann aber vor allem um den Tod als zentrales Lebensthema.

Buchhinweis

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Dorothee Sölle: «Mystik des Todes. Ein Fragment». Herder Verlag, 2011.

Das Töten abschaffen, nicht den Tod

Sie zeigte, wie eng Tod und Leben zueinander gehören. Mit der ihr eigenen Vehemenz kritisierte sie unseren Lebensstil, der die ewige Jugend erobern will und den Tod dabei ausgrenzt. In eine Landschaft der Sieger, sagte sie, passe der Tod nun mal nicht. Sölle hat sich nicht nur mit dem Tod, sondern auch mit den Toten beschäftigt. Tote haben ihre Angst vor dem Tod gemindert: «Was ich gekonnt habe, sagen sie, wirst du auch können: sterben.» Wir sollten endlich aufhören, den Tod abschaffen zu wollen, sagte sie. Abgeschafft werden müsse das Töten.

Ja zur Beschäftigung mit dem Tod, Nein zum Töten – das ist ein Leitfaden gewesen im Leben der Pazifistin. Ihre Bücher «Mutanfälle» und «Gegenwind» zeugen von einem aktiven Leben, in dem die Themen wechselten: die Frauenfrage in der Kirche, Lateinamerika, die Friedensbewegung, die Mystik und immer wieder die Theologie. Sie war eine grosse Theologin für die kleinen Leute, eine Art Befreiungstheologin für Europa. Und eine, deren «Mutanfälle» heute in Kirche und Gesellschaft fehlen.   

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