Von «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS) läuft aktuell die zehnte Staffel, «Germany's Next Top Model» (GNTM) geht demnächst in die achte Runde. Die Formate kommen an: DSDS hatte im Jahr 2010 bis zu sechs Millionen (vor allem) junge Zuschauer. Im Gegenzug verbuchte GNTM mit Heidi Klum 2009 bei den 12- bis 17jährigen Mädchen einen Marktanteil von 60 Prozent.
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«Viele junge Männer sehen in Bohlen ein Vorbild für den Umgang mit anderen Menschen», erklärt Bernd Gäbler, Journalistikprofessor und Autor der Studie «Hohle Idole - Was Bohlen, Klum und Katzenberger so erfolgreich macht» diesen Zuspruch der Jungen TV-Zuschauer.
Auch wenn die Zuschauerzahlen aktuell sinken, lohnt es sich, genauer hin zu schauen. Davon ist Gäbler überzeugt. Vor allem im Hinblick auf solche Sprüche wie «Du siehst schon jetzt aus wie Menschen, die keiner braucht.»
Botschaft: Nur die Stärksten überleben
Dieter Bohlen nimmt in DSDS kein Blatt vor den Mund. Wer optisch daneben liegt oder nur jämmerliche Töne hervorbringt, wird gnadenlos abgestraft. Bohlen traut sich auszusprechen, was er für die Wahrheit hält. Im Sinn von: Richtig unverschämt ist gleichbedeutend mit richtig ehrlich. Vom Publikum wird er auch so verstanden. Die Erfolglosen müssen schliesslich wissen, wo sie hingehören – nämlich raus aus der Show! Aber erst nachdem sie die Zuschauer mit ihrem Unvermögen erheitern konnten. Bernd Gäbler: «Dies können wir nicht nur als Trash abtun. Immerhin zeigt die visualisierte Botschaft: Nur die Stärksten überleben».
Doppelbödigkeit ist Trumpf
«Mach die Raubkatze, mach die Beine lang» - mit solchen Sprüchen hält die Modelmama Heidi Klum in GNTM ihre Mädchen auf Trab. Wild, ungezähmt und sexy sollen sie sein, gleichzeitig aber steril und sauber. Doppelbödigkeit ist Trumpf.
Gehorsam und Anpassungswille sind also nur eine Seite der Medaille. Die sogenannten «Mädchen» sollen gleichzeitig «personality» ausstrahlen. Denn nur so winken angeblich die heissbegehrten Werbeaufträge.
Warum tun sich junge Menschen das an?
Eine wichtige Frage für den Medienwissenschaftler in seiner Studie. Bohlen und Klum stehen für gesellschaftlichen Erfolg. Beide geben vordergründig weiter, wie man so weit nach oben kommt. Der Glamourfaktor dieser Showfiguren überzeugt. Für diesen Glamour legen sich Menschen krumm oder lassen sich öffentlich mit Häme überschütten. Herablassung und Unverschämtheit gehören zu den Säulen dieser Castingshows. Das Erfolgsrezept: «Wer hoch hinaus will, muss ganz unten durch» wird akzeptiert. «Hier wird eine desaströse gesellschaftliche Wirklichkeit vermittelt», schreibt Gäbler.
Werte werden mit den Füssen getreten
Dass die Einschaltquoten sinken, ist kein Grund zur Erleichterung, konstatiert der Journalistikprofessor. Die Quoten sinken nur, weil es mittlerweile zu viele dieser Castingshows gibt. Kaum hat das eine Format Erfolg, schiessen viele andere wie Pilze aus dem Boden. Was zur Folge hat, dass sich das Publikum nicht mehr mit den einzelnen Kandidatinnen identifizieren kann.
Das schwindende Interesse hat laut Gäblers Studie nichts damit zu tun, dass die Fernsehzuschauer dieser Art von Exhibitionismus und Demütigung den Rücken kehren. Gäbler vermisst die kritische Distanznahme zu diesen Unterhaltungsformaten, in denen Werte wie Barmherzigkeit im christlichen oder Solidarität im gewerkschaftlichen Sinn mit Füssen getreten werden.