Mona Lisa, der Kuss von Klimt und das Mädchen mit dem Perlenohrring: Alle drei sind weltberühmte Kunstwerke mit Kultstatus. Was sie dazu macht? Dieser Frage nachgegangen sind die Kunsthistorikerin Bonazzoli und der Kurator und Kunstkritiker Michele Robecchi. Dabei herausgekommen ist das Buch «Da Vinci bei den Simpsons – Wie aus Kunst Kult wird» – ein Werk von hohem Unterhaltungswert, das zugleich auch einen tieferen Einblick in die Kunstgeschichte gibt.
So verschieden die aufgezählten Kunstwerke auch sind – eines haben sie gemeinsam: Jedes hat seine eigene Geschichte, die es zu dem macht, was es heute ist: Kult. «Es hatte seinen grossen Moment, in dem es zur Ikone wurde, und schliesslich wurde aus der Ikone der Mythos», schreibt der italienische Künstler Maurizio Cattelan im Vorwort zum Buch.
Wann ist Kunst Kult?
Schnell wird klar: Jede dieser Geschichten ist einzigartig. Wer Faktoren sucht, die aus Kunstwerken Kultklassiker machen, findet nur allgemeine. «Vereinfacht gesagt sind vier nötig», folgert die italienische Kunsthistorikerin Francesca Bonazzoli. «Was wird von ihnen erzählt? Wer redet über sie? Wie tut er es? Wo ist das Werk zu sehen?» Eine Definition, die viel Interpretationsspielraum offen lässt.
Vom «Mauerblümchen»…
Ein Beispiel aus dem Buch ist die Geschichte der Mona Lisa: Sie ist eine der berühmtesten Frauen Italiens, jeder kennt ihr Lächeln, die Haare, die gedämpften Farben – auch wenn man das Bild selbst vielleicht noch gar nie im Louvre in Paris gesehen hat.
Das Ölgemälde, das Leonardo Da Vinci anfangs des 16. Jahrhunderts geschaffen hat, ist eine Rarität: Der Künstler hat nur knapp ein Dutzend Porträts gemalt. Vom französischen König legal erworben, hing es seither im Louvre. Doch kein Besucher blieb länger als nötig davor stehen.
… zum Star im Louvre in Paris
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Das wäre vielleicht bis heute so, wenn es nicht eines Tages gestohlen worden wäre. Der Täter war der italienische Handwerker Vincenzo Peruggia: Ihm schien es falsch, dass ein italienisches Bild in einem französischen Museum hing. Deshalb brachte er das Werk seines Landsmannes zurück nach Italien.
Ein Kunstraub aus nationalistischen Motiven: Das wühlte auf. Fortan bezahlten die Leute Eintritt, um den leeren Fleck an der Wand zu sehen. Als das Bild schliesslich zwei Jahre später wieder auftauchte, war es zur Legende geworden – zur Ikone.
Da Vincis Mona Lisa ist ein Paradebeispiel, wie aus Kunst Kult werden kann. Und doch steht es für sich allein. Kein weiterer Diebstahl hat ein Werk je vergleichbar berühmt gemacht.
Ein Bild macht Karriere in Hollywood
Eine geheimnisvolle Gestalt mit einer exotischen Kopfbedeckung ist auch die junge Frau, die der niederländische Dichter Jan Vermeer im 17. Jahrhundert malte. Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge fristete vier Jahrhunderte lang ein Schattendasein in der Kunstwelt. Bis sich die US-amerikanische Autorin Tracy Chevalier in das Bild verguckt hat und 1999 einen Roman darüber schrieb.
Sowohl der Roman wie auch die Verfilmung mit Scarlett Johansson und Colin Firth verhalfen dem bisher unbekannten Bild zu Kultstatus. So konnte das kleine Museum in Den Haag, in dem das Werk hängt, unlängst komplett renoviert werden – dank den explosionsartig gestiegenen Besuchereinnahmen.
«Der Kuss» von Klimt als Graffito
Indiz für den Kult-Wert sind auch Zitate eines Kunstwerks: Manchmal geschieht dies in einem ganz anderen Zusammenhang: Van Goghs Sonnenblumen auf Tassen, Mondrian-Muster auf Kleidung. Berührendes Beispiel ist dabei Gustav Klimts Ölgemälde «Der Kuss» von 1907 – Klimts berühmtestes Bild. Das Gemälde erregte zur Entstehungszeit wegen seiner unverhohlenen Sinnlichkeit die Gemüter. Es zeigt einen Mann und eine Frau in inniger Umarmung unter einem goldenen Mantel. Dieser ist reich verziert mit Ornamenten.
Ein Künstler in Damaskus hat 2013 das Bild als Graffito verewigt – auf einem zerbombten Haus. Die Einschusslöcher hat er als Ornamente auf dem Mantel der Liebenden gebraucht. Aus dem Skandalbild von einst wurde mit diesem Zitat ein starkes Statement für Schönheit, Hoffnung und Liebe in Zeiten des Krieges.