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Aschermann neben einer Frau mit Kopftuch. Beide schauen in die Ferne.
Legende: Rabbi Ascherman im Gespräch mit einer palästinensischen Frau. In ihrem Dorf hilft er unter anderem bei der Olivenernte. Keystone

Gesellschaft & Religion Ein Rabbiner kämpft in Israel für Menschenrechte

Als Präsident der «Rabbiner für Menschenrechte» setzt sich Arik Ascherman in Israel für Gerechtigkeit und Menschenrechte ein. Er hilft Palästinensern bei der Olivenernte, bietet Rechtshilfe an oder bildet Beduinen aus – damit macht er sich aber nicht nur beliebt.

Arik Aschermans Mutter hat ihm bei seinem ersten Synagogenbesuch eine Lektion mitgegeben: «Du kannst da so viel beten wie du willst. Wenn du nachher rauskommst und jemandem eins auf die Nase haust, dann war das nichts wert.» Diese kindliche Erklärung religiöser Werte gilt für Arik Ascherman bis heute. Es dürfe in der Religion nicht nur um Essensgebote gehen, so der Rabbiner, viel wichtiger sei der Umgang mit den Mitmenschen.

Arik Ascherman trinkt Tee aus einem Glas.
Legende: Arik Aschermans Organisation «Rabbiner für Menschenrechte» sieht sich als «Stimme des Gewissens» Flickr/Trocaire

Im Einsatz für Juden und Nichtjuden

Die jüdischen Gebote regeln genau, wie die Menschen miteinander umgehen sollen. Und weil im jüdischen Glauben alle Menschen Abbilder Gottes sind, darf man niemanden verletzen. Denn dadurch verletzt man Gott. Mit diesem Beispiel erklärt Arik Ascherman seine religiöse Motivation, sich für die Menschen einzusetzen, für Juden und Nichtjuden, Palästinenser und Israelis. Er warnt davor, dass in Israel «moralische rote Linien» überschritten würden.

Als Beispiel nennt Arik Ascherman die hohe Armut in Israel oder der schwierige Status von Beduinen in der Negev-Wüste. Letztere sind Bürger Israels, aber eine Minderheit. Deswegen würden ihre Dörfer zerstört, mit demokratisch legitimierten Entscheiden. Auch die militärische Kontrolle über die Palästinenser im Westjordanland kritisiert Ascherman hart. Denn wenn derjenige, der die Macht habe, auch die Regeln bestimme, dann könne das nur schiefgehen. Richtig emotional wird Arik Ascherman, wenn er über die Flüchtlinge spricht, die nach Israel kommen. Man habe die Grenzen geschlossen. Er fragt: «Wie können gerade wir sowas tun, die selber Flüchtlinge waren?»

Der ungehorsame Rabbiner

Rabbiner für Menschenrechte

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Die israelische Nichtregierungsorganisation «Rabbiner für Menschenrechte» wurde 1988 gegründetet und beschreibt sich als «Stimme des Gewissens» in Israel. Während der jährlichen Übergriffe jüdischer Siedler auf Palästinenser bei der Olivenernte leistet die Organisation passiven Widerstand.

Wegen dieser Kritik an Israel werfen viele Israelis den «Rabbinern für Menschenrechte» vor, dass sie das Land schlecht machen wollten. Doch diesen Vorwurf lässt Arik Ascherman nicht gelten. «Ich liebe mein Land», betont er. «In vielen Ländern sieht es in Sachen Menschenrechte noch viel schlimmer aus als in Israel. Aber die Ansprüche, die wir an uns selber stellen, sind auch viel höher, als in anderen Ländern; wir wollen noch moralischer sein als die andern.»

Deswegen zieht er mit seiner Organisation vor Gericht, um die Rechte von Minderheiten einzufordern. Oder er hilft Palästinensern bei der Olivenernte und organisiert Sommerlager für die Kinder. Manchmal gehört auch ziviler Ungehorsam zum Engagement. So stand Arik Ascherman auch schon vor Bulldozern, um die Zerstörung von Häusern zu verhindern. Dabei merkt er, dass ihm auch von palästinensischer Seite Vorurteile entgegengebracht werden.

Die Religion ist nicht das Problem

Wegen seiner Kippa ist er als religiöser Jude erkennbar. Darum meinen viele Palästinenser, er sei ein radikaler und gewaltbereiter Siedler. Denn dies sind die einzigen religiösen Juden, die sie kennen. Diese Stereotypen will Arik Ascherman durchbrechen und aufzeigen, dass die Religion nicht zwischen Palästinensern und Israelis steht und Frieden möglich ist. Deswegen kämpfen Arik Ascherman und die «Rabbiner für Menschenrechte» weiter, auch wenn es manchmal hoffnungslos scheint. Aber es gebe keine andere Wahl, sagt Ascherman: «Zu viel steht auf dem Spiel.»

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