Herr Brülhart, Sie sind seit 2014 Präsident der Finanzaufsichtsbehörde (AIF) des Vatikans. Was machen Sie da genau?
Wir sind mit der Bekämpfung von illegalen Finanzaktivitäten beschäftigt. Man muss sich bewusst sein: Das erste Geldwäschegesetz des Vatikans wurde erst 2010 durch den damaligen Papst Benedikt XVI statuiert. Was wir heute sind – zum einen Aufsichtsbehörde und zum andern Geldwäschemeldestelle – das hat sich erst in den letzten zwei Jahren entwickelt.
Ihr Ziel ist es also, einen sauberen Vatikan zu haben. Vor wenigen Tagen erschien die Bilanz des letzten Jahres: 544 Transaktionen wurden gemeldet, 17 als Verfahren geführt. Zudem wurden fast ein Viertel der 19‘000 Konten geschlossen. Sie haben kräftig aufgeräumt.
Ja, aber das ist auch ein langer Prozess. Vor drei bis vier Jahren standen wir an einem komplett anderen Punkt. Nun haben wir rechtliche Rahmenbedingungen und ein massgeschneidertes System geschaffen. Das ermöglicht uns, strafrechtlich gegen Verstösse vorzugehen. So ist es beispielsweise neu, dass interne Leute vom Vatikan der italienischen Justiz überstellt werden beziehungsweise dass man auf diese Weise zusammenarbeitet.
Was motiviert Sie zu dieser Arbeit, was treibt Sie an?
Es ist mir wichtig, etwas zu gestalten, Neues aufzusetzen und ein System zu schaffen. Ein anderer wichtiger Punkt ist das Dienen. Der Vatikan hat eine spezifische Verantwortung, der man gerecht werden muss: Die Verantwortung gegenüber 1.3 Milliarden Gläubigen, die ein klares Wertesystem mitbringen. Diesem muss man sich auch in solchen Themen annehmen. Dies ist mir Antrieb genug.
Die Vatikanbank heisst richtigerweise «Istituto per le Opere di Religione» (IOR) – also Institut für religiöse Werke. Das klingt nicht wirklich nach einem Finanzinstitut?
Ja, in Bezug auf das erst 70-jährige IOR gibt es viele Missverständnisse. Eigentlich ist es nicht korrekt, von einer Bank zu sprechen. Denn erstens ist das IOR ein einziges Institut ohne Zweigstellen und zweitens ist sein Zweck nicht kommerziell.
Aufgrund dieses eingeschränkten Nutzens verfügen wir nicht über ein übermässiges Volumen. Es werden rund 6 Milliarden Euro verwaltet, das entspricht einer kleinen Regionalbank. Die heutigen Strukturen erlauben es auch nur sehr ausgewählten Personen, eine Geschäftsbeziehung mit dem IOR einzugehen. Dies sind allen voran Geistliche, kirchliche Institutionen, Orden, Nonnen, Mönche sowie Mitarbeiter des Vatikans.
Weshalb braucht der Vatikan überhaupt eine Bank?
Kurz gesagt für drei Dinge: Für den Zahlungsverkehr, die Vermögensverwaltung und das Halten von Sparguthaben. Der Vatikan ist eine globale Institution und verübt insbesondere auch Tätigkeiten in Gebieten, in denen Krieg oder Konflikte herrschen. Er hat ein Bedürfnis, die Möglichkeiten zu haben, an entsprechenden Orten die nötigen Transaktionen durchzuführen. Aber vergessen wir nicht, dass wir im Vatikan keinen kommerziellen Finanzplatz haben. Das hat in der Vergangenheit zu gewissen Missverständnissen geführt.
2014 wurde in Ihre Behörde eingebrochen, später fand man Abhörwanzen. Spüren Sie viel Widerstand gegen Ihre Arbeit?
Sie können davon ausgehen, dass nicht immer alle glücklich sind, wenn Dinge im Wandel sind. Aber das ist für mich unwichtig. Das entscheidende Element ist, dass wir politischen Support haben. Zudem bin ich direkt dem Papst unterstellt und lediglich ihm Rechenschaft schuldig.
Schlussendlich hat sich der Vatikan verpflichtet, die europäischen Standards der Geldwäschebekämpfung umzusetzen, sowie das eigene System durch ein internationales Gremium des Europarates (Moneyval) überprüfen zu lassen. Diesen Verpflichtungen wollen wir durch unser massgeschneidertes System gerecht werden.