Thomas Wiesel kennt kein Tabu. Etwa, wenn er Christophe Darbellay zum ausserehelichen Baby gratuliert:
«Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Ehrlichkeit. Sie haben vor den Medien und vor Ihrer Familie zum Baby gestanden – wenn auch im letzten Moment. Sie sind ein guter Politiker, haben ruhig Blut bewahrt und den Fehltritt erst gebeichtet, als das Baby da war. Denn: Mit ein wenig Glück hätte die Mutter eine Fehlgeburt erlitten.»
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Hart an der Grenze
Das ist derb. Muss das sein? «Ich weiss, dass eine Fehlgeburt traumatisierend sein kann. Ich musste diesen Witz machen, um die Scheinheiligkeit, die Doppelmoral des Familienpolitikers zu entlarven.»
Fakt ist: Der 27-jährige Lausanner Thomas Wiesel testet mit seinem bissigen und politischen Humor gern die Grenzen aus – mit Erfolg. Bei Schweizer Radio RTS ist er regelmässig Gast, das Nachrichtenmagazin «L'Hebdo» kündigt die neue Wiesel-Kolumne auf der Titelseite an. Sogar im französischen Fernsehen TF1 tritt er auf: Erfolg in Frankreich ist für einen Schweizer Künstler noch immer so etwas wie der Ritterschlag.
Sein grösster Kritiker ist er selbst
Nur einer zweifelt am neuen Star: Thomas Wiesel selbst. «Ich verstehe nicht, dass die Leute mein Gesicht und meine Witze noch nicht satt haben. Irgendwann wird das passieren.» Er könne nämlich nicht schauspielern. Und auch als Person sei er nicht lustig.
Aber politische Satire stille ein Bedürfnis: «In unserer Zeit brauchen wir Humoristen, die die Aktualität kommentieren, die die Bürger vertreten – so wie es bisher die Zeitungskarikaturisten taten.»
Es kann gefährlich werden
Was für diese These spricht: Wiesels rasante, pointierte Interventionen sind im Internet ein Renner. Er überrascht mit Beiträgen – die etwas wagen, grenzwertig sind.
Das berge auch Gefahren: «Wir mögen die Leute, die etwas wagen, aber wir lieben es, jene fertigzumachen, die einen Fehler begehen», sagt Wiesel.
Ernste Themen, leicht verpackt
Trotzdem geht er immer wieder an die Grenze. Nicht nur in der Politik. In seinem Bühnenprogramm spricht der Komiker auch über seine Sexualität, seine Sterilität. Und sogar über den frühen Tod seiner Mutter:
«Für mich ist das wie eine Art Exorzismus. Das sind Themen, über die ich mit meinen Freunden nicht sprechen kann, weil sich danach alle schlecht fühlen.» Auf der Bühne könne er aber aus sich rausgehen und mit schweren Themen, die ihm wichtig seien, die Leute zum Lachen bringen.
Den Tod der Mutter verarbeiten
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Am meisten stolz ist er auf einen Text über den Tod seiner Mutter. Als sein Vater und dessen neue Partnerin nach Aufführung zu ihm kamen und ihm sagten, sei seien gerührt gewesen und hätten gelacht. «Es war einer der schönsten Momente, den ich auf der Bühne erlebt habe», sagt Wiesel.
Das ist wohl auch ein Grund für einen Erfolg. Wiesel exponiert sich mit seiner ganzen Person und betritt die Bühne als ein Kommentator, der glaubwürdig ist, weil er seine Meinung vertritt. Sein Ziel: «Ich will Zuschauer zum Lachen bringen, auch wenn sie sich über mich ärgern.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 03.10.2016, 17:22 Uhr.