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Gesellschaft & Religion Fotos vom Syrien-Krieg, die man nicht sehen will

Es gibt Szenen, die man nicht auf einem Foto sehen möchte. Tote Kinder, die in einer Blutlache liegen, gehören dazu. Der Fotograf Robert King dokumentiert genau diese grausamen Szenen in seinem Fotoband «Democratic Desert – der Krieg in Syrien». Ein Werk, das einen zu Recht zwingt, hinzuschauen.

Es gibt Bilder, die man nicht sehen will. Tatsachen, die man nicht wissen will. Stimmen und Geräusche, die man nicht hören will. Angesichts des Krieges in Syrien verhält sich die internationale Gemeinschaft wie die sprichwörtlichen drei Affen: Wir sehen, hören und sagen nichts. Weil es zu schrecklich ist, was man wahrnehmen würde. Der 1969 in Memphis, Tennessee, geborene Fotograf und Fotojournalist Robert King geht für sein Buch «Democratic Desert» nicht den bequemen Weg. Er schaut hin – und hat ein unerträgliches Fotodokument eines unerträglichen Krieges geschaffen.

Unerträgliche Aufnahmen

Krieg ist das Schlimmste, zu dem der Mensch fähig ist. 239 Seiten Fotos des US-amerikanischen Fotojournalisten Robert King bestätigen das in Farbe und hoher Auflösung. Zerschossene Gebäude, bewaffnete Kämpfer hinter Sandsäcken, verbarrikadierte Quartiere, das schlägt noch kaum auf den Magen. Aber Robert Kings Aufnahmen werden unerträglich, wenn sie Menschen zeigen.

Tote in seltsam verkrümmter Stellung, Verbände, durch die Blut sickert, Menschen, die in einer Blutlache liegen. Männer, Frauen, Kinder. Kinder. Die Verletzungen sind oft deutlich erkennbar. Man will und kann nicht hinschauen. Robert King hat hingeschaut und mit der Kamera festgehalten, welches Leid der Krieg über die Menschen bringt. Nein: Welches Leid Menschen im Krieg über andere Menschen bringen. Der Fotograf, der für renommierte internationale Medien arbeitet, hat seine Aufnahmen datiert und lokalisiert.

Literaturhinweis

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King, Robert: «Democratic Desert – Der Krieg in Syrien», Till Schaap Edition, 2014.

Auch der Text bietet keine Zuflucht

Zuklappen, dieses Buch, einfach nur zuklappen, will man diesen Fotoband. Oder beim Text im Anhang Zuflucht suchen. Der enthält keine Bilder und ist deshalb vielleicht leichter zu verkraften. Der Text heisst – wie das Buch – «Die Wüste der Demokratie» und stammt vom britischen Kriegskorrespondenten Anthony Loyd, der für die Londoner «Times» arbeitet und Bücher über seine Erfahrungen etwa im Bosnienkrieg und in Tschetschenien geschrieben hat. Aber die bildlose Auseinandersetzung mit dem Krieg in Syrien ist nicht harmloser. Anthony Loyd erinnert daran, wie der Syrienkrieg begann:

«… mit der Festnahme und Folter einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen in der Stadt Daraa im Süden des Landes. Sie wurden Ende Februar 2011 festgenommen, als sich im Kielwasser der Nachrichten über die Aufstände in Tunesien, Ägypten und Libyen in Syrien Unzufriedenheit breitmachte. Man hatte die Kinder und Jugendlichen dabei erwischt, wie sie, ermutigt durch die Bilder im Fernsehen, auf eine Mauer den Slogan des Arabischen Frühlings malten: «Das Volk / will / die Regierung stürzen!» Insgesamt waren es 15; der jüngste war zehn Jahre alt, der älteste 15.»

Nur die radikalen Islamisten profitieren

Als die Familien der Jungen am 15. März 2011 vom Gouverneur erfahren wollen, wo ihre Kinder verblieben sind, lassen die Behörden auf die Menschenmenge schiessen. Drei Tage später erschiesst die Polizei drei Protestierende. Es sind die ersten Toten in diesem Konflikt, der sich seither ausgeweitet und radikalisiert hat.

Anthony Loyd beschreibt die Etappen der Eskalation – und die Grausamkeit, mit der die Kriegsparteien vorgehen. Er schreibt, es gebe nur eine Kraft, die von diesem Chaos profitiert: den radikalen Islamismus. Und er tadelt die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft, die um keinen Preis in Syrien involviert werden will.

Robert Kings Buch «Democratic Desert» will man einfach nur zuklappen, wegschliessen, damit niemand diese Fotos aus dem Krieg in Syrien ansehen muss. Aber halt! Die Leute in Syrien erleben die Realität, die King in seinen Fotos zeigt. Darf man sich da einfach verhalten wie die internationale Gemeinschaft – oder wie die drei Affen? Nichts sehen, nichts hören – und schweigen?

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