Bevor am 1. Juni die ersten Züge durch den Gotthard-Basistunnel fahren, wird der Tunnel gesegnet. Ursprünglich hätten vier Personen die Segnung vornehmen sollen: ein Imam, ein Rabbi, ein Konfessionsloser und der ehemalige Abt des Klosters Einsiedeln, der Katholik Martin Werlen.
Doch spätestens als sich Adolf Ogi via Boulevardblatt lautstark für einen reformierten Vertreter an der Tunnelsegnung aussprach, war klar: Die Idee, pro Religion einen Vertreter in die Zeremonie am Gotthard einzubeziehen, ist gescheitert.
Schlammschlacht der Konfessionen
Peinlich findet das Harald Rein, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche Schweiz (AGCK), der mit der Organisation des religiösen Parts beauftragt wurde: «Das Christentum hat sich in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht. Muslime, Juden und auch die Konfessionslosen hatten nichts daran auszusetzen, dass sie von je einer Person repräsentiert werden. Nur die Christen!» Obwohl auch der Islam oder das Judentum verschiedene Konfessionen kennen.
Eigentlich hätte der Einsiedler Abt Martin Werlen den Job als Repräsentant der Christen übernehmen sollen. So hatte es die AGCK letzten Herbst einstimmig beschlossen, zusammen mit den reformierten Vertretern in der Arbeitsgemeinschaft, erklärt Harald Rein.
Kirchenleitung beugte sich einer Minderheit
Erst in den letzten Wochen hätte es sich die evangelisch-reformierte Kirchenleitung anders überlegt: «Eine radikale Minderheit hat in den Medien einen solchen Terror veranstaltet, dass sich die Kirchenleitung gezwungen sah, sich dem zu beugen», so Rein. Ob das klug war, müsse diese selber beurteilen.
Deutliche Worte des Präsidenten der AGCK – der ebenfalls der Bischof der Christkatholikinnen und Christkatholiken in der Schweiz ist – und nun nach der Nachnominierung der Reformierten von seiner Konfession unter Druck gesetzt wird: «Ich werde bombardiert von empörten Christkatholiken, die finden, dass die dritte Landeskirche der Schweiz auch einen eigenen Vertreter haben müsste.»
Doch das werde er nicht auch noch an Doris Leuthard weiterleiten, die letztlich für die Organisatorin der Einweihung vom 1. Juni verantwortlich ist. Denn: «Sonst kämen wir langsam an die Grenze unserer Glaubwürdigkeit.»
Nicht richtig kommuniziert
Selbstkritisch räumt Harald Rein ein, dass die AGCK ihre Idee der Einervertretung nicht gut genug kommuniziert habe: «Es wurde nicht von allen verstanden, das heisst, wir haben es nicht richtig vermittelt.»
Seit über 40 Jahren setzt sich die AGCK für die Ökumene ein, also für das Miteinander der verschiedenen christlichen Konfessionen. Zehn Kirchen sind Mitglied; neben den drei Landeskirchen (evangelisch-reformiert, römisch-katholisch und christkatholisch) sind das beispielsweise die serbisch-orthodoxe Kirche oder die Heilsarmee.
Ökumene muss nochmal Thema werden
Die Ökumene in der Schweiz sei damit nicht gescheitert, sagt Harald Rein, sie befinde sich im Umbruch – wie die Gesellschaft auch. Mit den neuen Gegebenheiten ergäben sich auch neue Fragen, die noch nicht gelöst seien. «Aber ich glaube an die Einheit des Christentums. Zudem ist es doch etwas Positives, dass die Religion bei einem Ereignis mit Ausstrahlung weit über die Landesgrenzen hinaus Platz hat.»
Er freue sich trotz allem auf den kommenden Mittwoch. An der nächsten Versammlung der Arbeitsgemeinschaft wolle man diese Frage noch einmal in Ruhe diskutieren. Damit man «beim nächsten Mal besser aufgestellt» und die Konfessionen nicht mehr ein öffentliches Armdrücken veranstalten.