Wenn David Graeber an einer Party Leute kennenlernt und sie nach ihrem Job fragt, winken diese oft verlegen ab: «Ach, ich mache nichts Besonderes». Je weiter die Stunden aber vorangeschritten sind und je mehr die Luft nach Ethanol riecht, desto deutlicher werden manche Illusionen der modernen Ökonomie. Plötzlich erzählen die Leute über ihre Anstellungen – über die Monotonie und vor allem über die Sinnlosigkeit ihrer Arbeit. Diese nächtlichen Beichten liessen Graeber über das Wesen der Arbeit heutzutage nachdenken. Das Ergebnis: Viele haben sogenannte «Bullshit-Jobs».
Sinnfreie Jobs provozieren Krisen
Darüber schrieb Graeber auch in seinem 2013 erschienen Essay «On the Phenomenon of Bullshit Jobs». Darin betont er, es gebe eine beträchtliche Menge an Menschen in Europa und Nordamerika, die ihr komplettes Arbeitsleben lang Aufgaben erfüllten, welche sie insgeheim als sinnfrei und unwichtig erachteten. Dies sei nicht unproblematisch, daraus könnten tiefschürfende Krisen entstehen – soweit die These. Graebers Essay löste in Grossbritannien eine Umfrage zur Arbeitszufriedenheit aus. Das ernüchternde Ergebnis: Lediglich 50 Prozent aller Befragten waren der Überzeugung, eine nützliche Arbeit auszuführen. Grund dafür sei die Bürokratie.
Der Bürokratie widmete David Graeber jüngst sogar ein 300-seitiges Buch. Der Anteil an administrativen Arbeiten hätte heute stark zugenommen, sagt Graeber. Die Leute seien öfter damit beschäftigt, Dinge zu verwalten, anstatt kreativ zu arbeiten. Papierstapel zu verschieben, scheint die moderne Form industrieller Förderbandarbeit geworden zu sein.
Mehr Technik, weniger Freiheit
Als weiteren Grund für die Sinnlosigkeit vieler Tätigkeiten sieht Graeber die wachsende Komplexität der Wirtschaft und der Arbeitsprozesse, welche in einer hochgradigen Spezialisierung resultieren. Damit wird der Arbeitnehmer zu einem winzigen Rädchen in einem Gesamtorganismus degradiert. Kein Wunder, fällt es vielen Leuten schwer, ihrem Beruf Sinn zuzuschreiben, wenn ihre Tätigkeit weit entfernt von den Endpunkten eines Produktionsprozesses stattfindet. Schon Karl Marx hatte dieses Phänomen erkannt. Er nannte es: entfremdete Arbeit.
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Doch gab es nicht immer schon Menschen, die ihre Jobs als sinnlos erachteten? Natürlich gab es die. Was Graeber beklagt – nicht ohne ein Schmunzeln auf seinem Gesicht – ist, dass uns die technologischen Fortschritte wenig von der einst erhofften Freiheit brachten. Sie wurde nicht dafür eingesetzt, dass Menschen mehr Zeit und Ressourcen haben. Oftmals diene der technologische Fortschritt eher dazu, uns umfangreicher und präziser zu kontrollieren. Und vor allem habe uns die Technologie nicht weniger, sondern mehr Arbeit gebracht.
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