45 Fahrminuten sind es von San Francisco ins Silicon Valley. Zehntausende Angestellte von Internet-Firmen wohnen lieber hier als in einer der Kleinstädte rund um das Tal der Innovationen. «Immer mehr dieser erfolgreichen Unternehmen haben sehr junge Mitarbeiter», erklärt sich Christian Simm den Andrang auf San Francisco. Er leitet die Handelskammer Swissnex in San Francisco. «Diese Mitarbeiter sind meist noch nicht verheiratet. Und sie haben kein Interesse, irgendwo in den ‹Suburbs› zu wohnen.»
Die Internet-Konzerne machen es möglich. Tag für Tag lassen Google, Facebook und Co. ihre Mitarbeiter ins Büro chauffieren. In weissen Bussen mit getönten Scheiben, die eigentlich dezent wirken sollen. Dass es innen W-Lan, Kaffee und Sandwiches gibt, hat sich schon lange herumgesprochen. Die «Tech Busses» sind zum Sinnbild des Bösen geworden.
Immer wieder demonstrieren Anwohner und blockieren die Wege der Busse. «Evicted», zwangsgeräumt, steht auf ihren Plakaten. Tatsächlich ist es an der Tagesordnung, dass ältere und gering verdienende Einwohner ihre Wohnungen verlassen müssen.
Empörung löste ein Fall im Herbst 2013 aus. Ein betagtes, chinesisch stämmiges Ehepaar sollte seine Wohnung räumen – mitsamt der geistig behinderten Tochter. Breite Proteste halfen nicht. Nach 34 Jahren musste die Familie ausziehen.
Jahresmiete bar auf den Tisch
«Der Medianpreis einer Wohnung liegt erstmals bei einer Million Dollar», sagt eine Immobilien-Maklerin im Wirtschaftsmagazin «ECO». Mieten für kleine Wohnungen erreichen heute gerne 3000 US-Dollar. Nicht einmal mehr mittelständische Familien können sich das leisten.
Gleichzeitig soll es Fälle gegeben haben, in denen Silicon-Valley-Angestellte bei einer Wohnungsbesichtigung gleich eine ganze Jahresmiete auf den Tisch gelegt haben. In der Internet-Welt, die mittels Verkauf oder Börsengang auf einen Schlag hunderte Millionäre schaffen kann, spielen Preise eine untergeordnete Rolle.
In dieser Welt freut man sich über die Anpassung der Dienstleistungen an die veränderte Klientel. «Neue Ladenkonzepte werden hier entwickelt, die es sonst in der Stadt eigentlich nicht gibt. Das ist sehr interessant», sagt der Schweizer Claude Zellweger. Er ist Chefdesigner des Smartphone-Herstellers HTC und wohnt seit 14 Jahren in San Francisco.
Sorge um Seele der Stadt
Alteingesessene stören sich nicht nur an den offensichtlichen Zeichen der Gentrifizierung. Neben dem Phänomenen, dass die weniger wohlhabende Bevölkerung durch den Zuzug Vermögender verdrängt wird und die Mietpreise in den Himmel schiessen, haben sie noch eine andere Sorge. «Ich bin in den 1970er-Jahren hierher gezogen – und war begeistert», erinnert sich Einwohnerin Patricia Kerman. «Ich war politisch und sozial aktiv. Wenn sie alle Leute wie mich vertreiben und nur noch Menschen mit Löhnen weit über 100'000 US-Dollar anziehen, dann zerstören sie die Seele dieser Stadt.»
Politisches Engagement, Schaffen von Gegenkulturen – all das gehört nicht zu den Prioritäten der Silicon-Valley-Angestellten. Sie leben in grösseren Dimensionen. «Viel wichtiger für mich ist die Frage: Wie kann die USA führend bleiben in der Innovation?», sagt Investor Mike Maples. «Wir durchleben einen Wandel, ja. Aber alles wird viel besser, als es jemals war.»
Die einen fürchten um den Verlust ihrer Werte. Die anderen sind erst im Begriff, sie zu entwickeln. Wie man diese Kluft in der Bucht am Pazifik schliessen will, hat bis heute noch niemand beantwortet.