Die Benediktinerabtei Dormitio liegt direkt vor den Mauern der Altstadt von Jerusalem. Völkerrechtlich gehört sie weder zum Staat Israel noch ist sie Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Ein Glücksfall für die Kirchendiplomatie.
Ins «Niemandsland» zu Pater Nikodemus kommen so nämlich nicht nur viele deutschsprachige Pilgerinnen und Pilger, sondern auch politische Diplomaten und Abgesandte anderer Religionen. Gerade habe er einen Kongress mit über 100 Rabbinerinnen und Rabbinern abgehalten. Das war für den selbstkritischen deutschen Geistlichen ein grosser Erfolg.
Empathie als Rezept für Frieden
Pater Nikodemus ist in seiner Analyse des Nahostkonflikts nicht allein: Israelis und Palästinenser pflegen beide ihre Narrative, also ihre kollektiven Leidenserzählungen. Beide stimmen, betont der Benediktiner. Das Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Israelis ist real. Es speist sich nicht allein aus der Verfolgungserfahrung durch die Nazis, sondern auch durch aktuelle Anschläge auf Juden in Israel selber wie auch in Europa. Genauso real ist das Leid der Palästinenser, die als Vertriebene und Flüchtlinge bis heute kaum Fuss fassen konnten. Sie sind zumeist staatenlos und kaum lebensfähig eingezwängt in ihren Autonomiegebieten.
Für beide Erzählungen hat Nikodemus Verständnis und Mitgefühl. Traurig macht ihn, dass beide Gruppen das Narrativ der anderen nicht anerkennen und zumeist auch gar nicht hören wollen. Vielmehr verausgabten sich beide in einem «Leidenswettbewerb», stellt Pater Nikodemus fest. Ein wichtiger Schritt zum Frieden jedoch wäre die beiderseitige Bereitschaft, das Narrativ des anderen zuerst einmal hören zu wollen. Daraus würde sich dann die nötige Empathie für die Situation der anderen entwickeln.
Chancen der Diözese Jerusalem
Zur römisch-katholischen Diözese Jerusalem gehören arabische, ausländische und auch israelische Christinnen und Christen. Das sei eine Riesenchance für die Verständigung, meint Nikodemus.
Das Kirchengebiet erstreckt sich über Israel, die Palästinensergebiete bis Jordanien und Teile von EU-Zypern. So kam es, erzählt Pater Nikodemus Schnabel, dass aus seiner Diözese die verschiedensten Nationalitäten zum römisch-katholischen Weltjugendtag reisten und hier auch die unterschiedlichsten Flaggen ihrer teils verfeindeten Heimatstaaten schwangen. Die Christen seien sich untereinander auch nicht immer grün. Wenn sie es nun schafften, Gemeinschaftsgefühl über ethnische Grenzen hinweg aufzubauen, sei dies ein wichtiger Baustein für Frieden in der Region.
Nicht der Konfession, sondern dem Menschen dienen
Über sein Leben in der Dormitio hat Pater Nikodemus Schnabel ein eindrückliches Buch verfasst: «Zuhause im Niemandsland. Mein Leben im Kloster zwischen Israel und Palästina». Selten kann man so etwas Faires zur Lage in Jerusalem lesen. Nikodemus will weder proisraelisch noch propalästinensisch sein, sondern pro Mensch. Das ist auch deshalb so glaubwürdig, weil er mit inner-christlicher Kritik nicht spart. Er vermisst hier eine funktionierende Ökumene für den Frieden.
Ausgerechnet in Jerusalem streiten sich die verschiedenen Kirchen immer um Besitztümer und Loyalitäten. Die äussert komplizierte Vielfalt der Konfessionen in Jerusalem erklärt Pater Nikodemus klar und bündig. Offen kritisiert er auch die neue Gewalt gegen Christen durch jüdisch-israelische Jugendliche. Er nennt sie Hooligans der Religion. Sein Buch hilft, solche Phänomene zu verstehen und klar verurteilen zu können, ohne eben der einen oder anderen Seite zu dienen, sondern allein den Menschen.