Herr Dragusha, wie integriert sind Imame in der Schweiz?
Als ich in die Schweiz kam, war ich zuerst drei Jahre Imam einer albanisch-islamischen Gemeinschaft in St. Gallen. Ich wollte die Sprache lernen und habe die Deutsch-Kurse selber bezahlt. Es gibt aber Imame, die seit 10 oder 15 Jahren in der Schweiz sind und erst jetzt mit Deutsch-Kursen beginnen. Das ist zu spät. Die deutsche Sprache ist der Schlüssel für die Integration und für das wissenschaftliche Studium.
Bis jetzt spielen Imame in der Schweiz keine Rolle. Sie bleiben oftmals drei, vier Jahre und gehen dann wieder nach Hause. Wir brauchen Imame, die in der Schweiz ausgebildet sind und den Islam im europäischen Kontext verstehen.
Warum sollen Imame in der Schweiz ausgebildet werden?
Es ist sehr wichtig, dass der Staat die Imam-Ausbildung organisiert. Viele Imame leben isoliert in der Schweiz. Wir erleben immer wieder, dass Imame aus dem Ausland in die Schweiz kommen und Fatwas (Rechtsgutachten) geben, die gegen die Schweizer Gesellschaft oder gegen den Islam in der Schweiz verstossen. Die Schweizer Regierung hat hier keine Kontrolle. Die Imame leben in der Schweiz wie in einem Gefängnis. Sie haben nur mit den Menschen zu tun, die in die Moschee kommen.
Warum leben Imame in der Schweiz wie in einem Gefängnis?
Weil sie den Lohn vom Vorstand oder von den Mitgliedern eines Vereins erhalten und nur für die Arbeit in der Moschee bezahlt sind. Ein Imam sollte aber nicht nur in der Moschee arbeiten, es gibt immer neue Aufgaben wie beispielsweise die Spital- oder Gefängnisseelsorge. Ein Imam sollte in der Schweiz wie ein Pfarrer leben und arbeiten.
Verstehen Sie Ihre Moschee als Beitrag zur Integration in die Schweizer Gesellschaft?
Genau. Die Paradies Moschee ist die erste internationale Moschee in der Stadt St. Gallen. Wir sind offen für Menschen aller Nationalitäten und fördern die Integration. Ich predige in englischer, arabischer, deutscher und albanischer Sprache. Demnächst beginnen wir mit einem kostenlosen Deutsch-Kurs für Frauen. Ich persönlich verstehe mich als Brücke zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen.
Sie haben Ihre Moschee in einer ehemaligen Kegelbahn gegründet. Warum?
Die Moschee besuchen mehrheitlich alte Menschen. Wir wollen auch Jugendliche ansprechen. Und wir haben gedacht, ein islamisches Kulturzentrum in einem Restaurant mit Kegelbahn, das ist eine gute Idee.
Der Islam ist nicht gegen Kegelbahnen und andere Spielzeuge. Die Leute können hier beten und spielen.
Die Moschee liegt in der Paradiesstrasse, daher der Name Paradies Moschee?
Genau. Alle Menschen wollen ins Paradies gelangen oder eine Belohnung bekommen.
Was muss eine Muslimin, ein Muslim tun, um ins Paradies zu kommen?
Es ist ganz einfach. Muslime glauben an Allah. Wenn wir den Glauben an Allah bekennen, müssen wir beten, fasten, Almosen geben und die Pilgerfahrt unternehmen.
Ihre Moschee kommt ohne Minarett aus?
Ich sage jeweils: Wir haben kein Geld für ein Minarett. Im Namen der Muslime in der Schweiz sage ich: Wir sind der Schweizer Gesellschaft sehr dankbar, dass sie uns erlaubt, unsere Religion zu praktizieren. Wenn die Schweizerinnen und Schweizer sagen, ein Minarett ist für uns eine Provokation, dann sage ich als Imam: Ein Minarett ist für uns kein Muss. Wenn Muslime sagen, ohne Minarett ist das Gebet nicht akzeptiert, dann stimmt das einfach nicht.
Wer bezahlt Ihren Lohn?
Meinen Lohn bezahlen die Mitglieder des Moschee-Vereins. Wir haben ungefähr 160 Mitglieder.
Sie haben eine Familie mit drei Kindern. Können Sie davon leben?
Es ist nicht einfach, insbesondere in der Schweiz, wo der Lebensunterhalt und die Ausbildung teuer sind.